Führungswechsel bei der CDU Wird die CDU nach Merkel zur Wirtschaftspartei?

Friedrich Merz und Carsten Linnemann könnten als Team um den CDU-Vorsitz kämpfen. Quelle: EPA-EFE

Mit Friedrich Merz als Favoriten der Mitglieder und Mittelstandschef Carsten Linnemann im Team würde die Partei nach dem Mitte-Kurs der vergangenen Jahre wieder mehr Wirtschaftsprofil gewinnen.

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Es ist die alte Freundschaft zu Jens Spahn, die Carsten Linnemann noch zögern lässt. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister und der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) sind seit Jahren eng verbunden. Ihre Wahlkreise Steinfurt und Paderborn liegen dicht beieinander und mit 41 und 44 Jahren gehören beide zum kleinen Kreis der jungen Hoffnungsträger in der Ära nach Angela Merkel. Nichts wäre also naheliegender, als im Ringen um den Parteivorsitz der CDU ein Team zu bilden. Einer für den Chefposten, der andere als Generalsekretär oder als potenzieller Nachfolger des nur für sechs Monate gewählten Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus.

Doch solche Teambildungen sind nur dann sinnvoll, wenn man gemeinsam stärker ist und als Team sein Ziel auch erreichen kann. Genau das aber ist Linnemanns Problem: Die Kombination der beiden CDU-Jungstars verspricht wenig Aussicht auf Erfolg – jedenfalls weniger als die Verbindung von Friedrich Merz und Carsten Linnemann. Wirtschaftsanwalt Merz wiederum weiß, dass er mit seinen 65 Jahren nicht mehr als dauerhafte Lösung für die Zukunft der CDU durchgehen kann. Er braucht also einen Mitspieler aus dem Kreis der Nachwuchshoffnungen. Da Merz und Spahn persönlich nicht gut miteinander können und sich die beiden wohl auch kaum auf einen Chefposten einigen könnten, versucht Merz jetzt, Linnemann auf seine Seite zu ziehen. Der eine als erfahrener und an der Basis beliebter Vorsitzender, der andere als engagierter und respektierter Mann der Zukunft – mit dieser Kombination ließe sich wohl die Mehrheit der 400.000 Mitglieder gewinnen.

Gesucht wird noch eine Frau an der Seite von Merz

Vor allem, wenn noch eine junge Christdemokratin in das Team eingebunden würde. Unter anderem wird dafür Serap Güler gehandelt, die 41-jährige Ex-Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, die jetzt in den Bundestag eingezogen ist. Ebenfalls genannt wird der Name Katja Leikert. Die Hanauer Bundestagsabgeordnete und frühere Vize-Fraktionsvorsitzende wird dem Merz-Lager zugerechnet. Infrage käme auch Nadine Schön, ebenfalls Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionsvize. Schön würde immerhin für eine gewisse Kontinuität stehen. Sie kommt wie die frühere CDU-Generalsekretärin und Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland.

Falls Merz und Linnemann ein Team bilden, stünden sie wie niemand sonst für eine Rückorientierung der CDU zur Wirtschaft. Norbert Röttgen, der wohl ebenfalls kandidieren wird, gilt eher als versierter Außenpolitiker und in Fortsetzung von Merkel als liberaler Mann der Mitte. Auch Jens Spahn verfügt über kein eigenes Wirtschaftsprofil. Er wird als langjähriger Gesundheitsexperte der Fraktion und als Gesundheitsminister wahrgenommen.

Strategisch verfolgt Merz den Ansatz, die CDU in den kommenden Jahren als bürgerliche Alternative zu profilieren und als Oppositionspartei gegen die Ampelkoalition in Stellung zu bringen.

Drei Topthemen für die Opposition

Dafür kommen im Wesentlichen drei Themen infrage: Zum einen die Bereiche Sicherheit, Asyl und Staatsangehörigkeitsrecht. Da FDP, Grüne und SPD hier in eine klar linksliberale Richtung gehen, könnte die CDU als konservative Stimme leicht Profil gewinnen, zum anderen wird angesichts der drohenden Überalterung der Gesellschaft der Umbau des Sozialstaats und die Reform der Alterssicherung ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung rücken. Auch hier böte sich der CDU als Wirtschaftspartei die Chance, mit ergänzender privater Vorsorge gegenzuhalten; Merz war der Treiber der Generationenrente im Wahlprogramm der Union.

Das dritte und entscheidende Thema ist der ökologische Umbau der Wirtschaft. Hier hat der CDU-Wirtschaftsrat, dessen Vizevorsitzender Merz ist, den Ton bereits vorgegeben. In einem 28-seitigen Positionspapier kritisierte der Wirtschaftsrat staatliche Eingriffe und forderte marktwirtschaftliche Lösungen im Sinne des Klimaschutzes. So sei eine Solarpflicht auf Neubaudächern „überflüssig, denn Strom aus Photovoltaik (PV) ist heute bereits grundsätzlich wettbewerbsfähig“, heißt es beim Wirtschaftsrat. „PV-Anlagen sollten daher dort erstellt werden, wo sie sich auch wirtschaftlich rechnen. Es kann also dem Markt überlassen werden, welche Flächen genutzt werden sollen und welche nicht“.



Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates und Merz-Unterstützer, hat die Argumente für die Oppositionspartei CDU schon aufgeschrieben. „Der Wirtschaftsrat ist fest davon überzeugt, dass marktbasierte, innovative Klimaschutzinstrumente und Anwendungen wirksamer sind als Staatseingriffe durch Überregulierung, Verbote und Gebote“, schreibt Steiger. In dieser Diktion will Merz einen klar erkennbaren Oppositionskurs fahren und die Union dabei wieder erkennbar machen. Mit Linnemann hätte er einen gleichgesinnten, jungen Mitspieler, der in die gleiche Richtung gehrt. Aber noch wird taktiert und viel telefoniert. Etwas Zeit ist ja noch. Die Bewerbungsfrist für den CDU-Vorsitz läuft am 17. November ab.

Mehr zum Thema: Die CDU-Mitglieder sollen ihren neuen Vorsitzenden bestimmen. Das Votum der Basis zeichnet sich bereits ab: gegen Jens Spahn und Norbert Röttgen.

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