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Führungswechsel Wohin steuert EZB-Ökonom Fratzscher das DIW?

Marcel Fratzscher wird wohl in der kommenden Woche zum neuen DIW-Chef gekürt. Er muss dem Institut wieder ein eigenständiges Profil verschaffen. Das ist leichter gesagt als getan.

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Marcel Fratzscher Quelle: DIW

Mitte Juli hatte die Findungskommission des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) den Ökonomen Marcel Fratzscher, als neuen Chef des Berliner Instituts vorgeschlagen. In wenigen Tagen schon könnte die Entscheidung fallen. Dann will das Kuratorium des DIW zusammentreffen und wird mit großer Wahrscheinlichkeit den derzeitigen Abteilungsleiter der Europäischen Zentralbank (EZB) mit der Führung des Wirtschaftsforschungsinstituts beauftragen. „Marcel Fratzscher ist ein hervorragend ausgewiesener Wirtschaftswissenschaftler, von dem neue Impulse für einen Ausbau der makroökonomischen Kompetenz des Instituts wie für die theoriegeleitete und empirisch fundierte Politikberatung zu erwarten sind“, begründet der Leiter des Kuratoriums, Bert Rürup, die Empfehlung der Kommission.

Marcel Fratzscher eilt ein guter Ruf als Ökonom voraus. Ob er auch ein so kompliziertes Gebilde wie ein Wirtschaftsforschungsinstitut führen kann, wo es darauf ankommt, viele unabhängige Wissenschaftler unter einen Hut zu bringen, muss er erst noch beweisen. Der 41-Jährige hat in Kiel, Oxford und Harvard Volkswirtschaftslehre studiert und promovierte in Florenz. Während der Asienkrise Ende der Neunzigerjahre beriet er das indonesische Finanzministerium, zudem war er für die Weltbank in Washington und die Asiatische Entwicklungsbank auf den Philippinen tätig. Seit elf Jahren arbeitet er für die EZB, 2008 wurde er Abteilungsleiter für „Internationale wirtschaftspolitische Analysen“. 

Klare Aufgabe

Das DIW ist mit 180 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 20 Millionen Euro das größte deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut. Seit 2007 steckt es aber in der Krise, weil es nicht mehr an den prestigeträchtigen Gemeinschaftsdiagnosen beteiligt ist. 2009 geriet es wegen des Verdachts, öffentliche Mittel verschwendet zu haben, ins Visier des Landesrechnungshofs. Im Februar 2011 musste der langjährige Präsident Klaus Zimmerman, 59, gehen. Interimschef Gert Wagner, 59, hat das DIW politisch auf einen eher linken Kurs geführt: Vor wenigen Wochen schlug das DIW eine Zwangsabgabe für Reiche vor. 

Fratzschers Aufgabe ist also klar: er muss das Institut nicht nur in den Kreis der Institute zurückführen, die in Auftrag der Bundesregierung die regelmäßigen Herbst- und Frühjahrsgutachten erstellen. Vielmehr muss er dem DIW auch wieder ein eigenständiges wissenschaftliches Profil verschaffen. Dies allerdings ist leichter gesagt als getan. Denn geht der internationale Top-Ökonom zu sehr in Richtung Weltwirtschaft, könnte er dem Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) Gehege kommen. Zwar ist eine gewisse Konkurrenz unter den Instituten durchaus erwünscht. Doch die Leibnitz-Gemeinschaft, die bei der wissenschaftlichen Beurteilungen der Institute eine wichtige Rolle spielt, legt viel Wert darauf, dass jedes Institut sich durch ein eigenes Alleinstellungsmerkmal definiert. 

Schon stellen einige die ketzerische Frage, ob der Mann aus des Eurotower in Frankfurt das DIW künftig in eine Art wissenschaftlichen Außenposten der EZB verwandeln wird und deren eigenwillige und vor allem in Deutschland überaus umstrittene Interpretation der Geldpolitik argumentativ stützten wird? Immerhin hat Fratzscher in seinen bisherigen Arbeiten schwerpunktmäßig über die Kommunikationspolitik von Zentralbanken geforscht. Ein Alleinstellungsmerkmal würde sich mit dem Versuch, die Euro-Rettung durch die EZB wissenschaftlich zu untermauern, sicherlich finden lassen. Interessante Kontroversen mit der Deutschen Bundesbank und vor allem dem Chef des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, wären damit programmiert.

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