Gabriels Fiasko bei Edeka/Tengelmann Die Ministererlaubnis muss weg

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Ministererlaubnis das Gemeinwohl schützen

In der Theorie hat die Ministererlaubnis einiges für sich. Die Sicherung des Wettbewerbs ist ein wichtiges, aber nicht das alleinige legitime Ziel in einer sozialen Marktwirtschaft. Deshalb gibt es durchaus Fälle, wo diese Ziele kollidieren können. So kann eine Fusion zwar den Wettbewerb innerhalb Deutschlands beschränken und trotzdem sinnvoll sein, wenn sie der einzige Weg für die beteiligten Unternehmen ist, in einem weltweiten Wettbewerb zu bestehen.

Auch Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, ist bei aller Kritik an der geplanten Fusion nicht dafür, die Ministererlaubnis abzuschaffen. „Sie trägt dazu bei, das Bundeskartellamt bei der Fusionskontrolle von politischem Druck freizuhalten“, sagt der Ökonom der WirtschaftsWoche. In seltenen Fällen gebe es Gemeinwohlgründe, „die in der rein wettbewerblichen Abwägung nicht berücksichtigt werden können“. Dann sei eine Entscheidung „durch eine politisch legitimierte Institution nötig“.

Ausnahmen der Ministererlaubnis sind schwer durchzusetzen

Doch die hehren Ausnahmeprinzipien der Ministererlaubnis sind praktisch schwer durchzusetzen, wie auch Monopolkommissionschef Wambach eingesteht, der „offenbar bestehende Unklarheiten“ rügt, wann bei Wettbewerbsfragen tatsächlich das Gemeinwohl berührt ist. Wie unklar vieles ist, zeigte sich früh nach der Einführung der Erlaubnis im Jahr 1973. Schon bald kam das Wirtschaftsministerium zum Ergebnis, das Instrument sei „wenig geeignet“ und „sehr problematisch“. Dieses Urteil bezog sich auf den Kauf des Maschinenbaukonzerns Wibau durch die IBH-Gruppe im Jahr 1981. Auch damals erlaubte der Minister die Fusion. Wenig später war der Konzern pleite.

Kein Wunder, dass das Instrument erst 22-mal angewendet und die Erlaubnis nur neunmal erteilt wurde. 2002 stoppte das OLG Düsseldorf die Entscheidung des damaligen Wirtschaftsministers Werner Müller, den Kauf von Ruhrgas durch E.On mit Ausnahmen zu genehmigen. Als „gravierenden Verfahrensfehler“ wertete das Gericht damals, dass Müllers Staatssekretär Alfred Tacke an der mündlichen Anhörung zur Ministererlaubnis nicht persönlich teilgenommen hatte.

Entscheidung zur Fusion schien schon getroffen zu sein

Gabriel wollte genau diesen Fehler vermeiden, so schien es zumindest. Als erster Bundeswirtschaftsminister überhaupt war er bei einer öffentlichen Fusionsanhörung zugegen. Im November 2015 bahnte sich Gabriel seinen Weg durch eine Phalanx von rund 150 Juristen, Beamten, Journalisten und Unternehmenschefs im stuckverzierten Eichensaal des Berliner Wirtschaftsministeriums. 14 geladene Parteien sollten ihre Argumente vortragen. „Lassen Sie sich nicht stören“, sagte Gabriel, als er seinen Platz erreichte, ganz so, als wäre er nur ein Zuschauer in dem Verfahren und nicht derjenige mit dem allerletzten Wort.

Ministererlaubnis

Zunächst hörte der Minister geduldig zu, als Tengelmann-Patron Karl-Erivan Haub und Edeka-Chef Markus Mosa für einen Zusammenschluss warben. Dann hielt Rewe-Chef Alain Caparros dagegen, sprach von „Erpressungsversuchen“ und machte Haub ein eigenes Kaufangebot. Da konnte sich Gabriel nicht mehr beherrschen. „Das Problem scheint mir zu sein, dass wir hier keine Verkaufsverhandlungen führen“, mischte er sich ein. Vertreter der Gewerkschaft Verdi, die gegen eine Fusion argumentierten, fragte er spitz: „Ist Ihre Ablehnung Selbstmord aus Angst vor dem Tod?"

Nach dem Termin waren sich Beobachter einig: Der Minister hatte seine Entscheidung für eine Fusion längst getroffen, der Deal schien durch zu sein. Doch Gabriel wollte offenbar ganz sichergehen und führte „Geheimgespräche“, rügt das OLG Düsseldorf. Die Richter monieren vor allem, dass sich Gabriel, ohne Wissen der anderen Verfahrensbeteiligten, gleich zweimal mit Edeka-Chef Mosa und dem Kaiser’s-Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub zu „Sechs-Augen-Gesprächen“ getroffen habe. Dabei soll der Minister das je gültige Angebot von Konkurrent Rewe offen diskutiert haben.

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