Gasstreit Russland-Ukraine „Für alle Fälle Kerzen gekauft“

Die Ukrainer blicken mit bangen Erwartungen auf den Jahreswechsel: Bringt am 1. Januar üblicherweise der slawische Weihnachtsmann „Väterchen Frost“ den Kindern die Geschenke, so droht diesmal ein böses Erwachen: Russland könnte den Gashahn zugedreht haben. An dem Dilemma ist die Ukraine nicht unschuldig.

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Messstation an einer Gaspipeline von Russland in die Ukraine. Foto: dpa

HB KIEW. „Eine Energiekrise bleibt uns wohl nicht erspart“, befürchtet der Kiewer Student Pjotr Lobun, der im Zentrum von Kiew letzten Neujahrsgeschenken nachjagt. Die Hausfrau Vera Golizia versucht, das seit Monaten andauernde Gefeilsche um die russischen Gaslieferungen an die Ukraine mit Humor zu ertragen. „Wir gönnen uns am Silvesterabend ein Festmahl. Wenn dann am 1. Januar das Gas abgestellt wird, kommen wir mit den Resten fürs Erste über die Runden“, sagt sie. „Ich habe für alle Fälle Kerzen gekauft“. Wie viele ihrer Landsleute auch vermutet Golizia hinter den Moskauer Drohungen Rachegelüste des russischen Präsidenten Wladimir Putin nach der ukrainischen Revolution. „Putin ist ärgerlich, weil sich (der ukrainische Präsident) Viktor Juschtschenko nicht wie ein kleiner Bruder behandeln lässt“, betont die Kiewerin. In der Bevölkerung ist aber auch Unzufriedenheit mit der eigenen Führung zu spüren. „Die ukrainische Regierung ist genau so korrupt wie die russische“, schimpft der Kiewer Taxifahrer Surab. Obwohl der russische Gasförderer Gazprom bereits vor Monaten eine saftige Preiserhöhung angekündigt habe, habe die ukrainische Regierung nichts unternommen. Nun müsse die Ukraine für ihre neu gewonnene Unabhängigkeit von Moskau bluten, sagt der aus Georgien stammende Chauffeur. In Moskau bereitete die Gazprom-Führung die für 1. Januar angedrohte Strafaktion in aller Ruhe vor. Eine Drosselung der Exporte sei technisch problemlos möglich, man habe das in den vergangenen Tagen intensiv getestet, betonte ein Gazprom-Sprecher. In den vergangenen Wochen hatte Gazprom mehrfach gewarnt, dass durch den Gasstreit mit der Ukraine auch die Exporte nach Deutschland vorübergehend in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Die ukrainische Regierung bemüht sich, zum Jahresausklang den Eindruck zu erwecken, auch nach der zu erwartenden Gasdrosselung alles unter Kontrolle halten zu können. „Wenn irgendwo Probleme auftauchen, steht ein Krisenstab bereit“, betonte der Vizeminister für Katastrophenschutz, Wladimir Antonez, in Kiew. Die Regierung bereitete die Bevölkerung bereits auf deutliche Preiserhöhungen vor. Die Erdgas-Rechnung soll im Januar um 25 Prozent ansteigen - allerdings auf niedrigem Niveau. Bislang habe der Durchschnittsukrainer weniger fürs Gas als sein Nachbar in Russland gezahlt, musste der ukrainische Regierungschef Juri Jechanurow bei den Verhandlungen mit Gasprom eingestehen.

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