Gastbeitrag Mit „Netiquette 2.0“ gegen Hass-Kommentare

Die Grünen wollen das Internet zum Sozialraum machen - ohne Hass-Kommentare. Das geht aber nur, wenn sich Facebook, Twitter & Co. strengere Benimmregeln auferlegen. Ein Gastbeitrag.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ein Mitarbeiter von Facebook International in Dublin (Irland): Die Niederlassung ist auch für das Löschen von Hass-Botschaften auf Facebook zuständig. Quelle: dpa

Der Befund ist so eindeutig wie hässlich. Im Schutze der vermeintlichen Anonymität im Internet erlauben sich immer mehr Menschen Grobheiten, Rüpeleien, Beleidigungen bis hin zu kriminellen Handlungen wie Bedrohungen, Volksverhetzung und Aufruf zu Gewalt. Ganz wesentlich findet dies seinen Ausdruck in und auf sozialen Plattformen wie Facebook, Twitter, YouTube und vielen anderen Sozialen Medien.

Die meisten dieser Plattformen haben ihren Firmensitz in den USA oder anderswo, jedenfalls nicht in Deutschland. Und genau da liegt schon ein erstes gravierendes Problem: Wie können wir durchsetzen, dass deutsches Recht und deutsche Gesetze auch im Netz zur Anwendung kommen und welche Aufgaben haben in diesem Zusammenhang die Betreiber der Plattformen zu leisten?

So streitet der Würzburger IT-Rechtsanwalt Chan-jo Jun seit Jahren dafür, Facebook in die Verantwortung für die dortige Hasskriminalität zu bringen. Hierzu hat er Strafanzeige gegen Manager von Facebook bei verschiedenen Stellen erstattet. Die Staatsanwaltschaft München hat jüngst auf seine Strafanzeige hin die Ermittlungen aufgenommen, unter anderem gegen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Dies sollte Anlass genug für Facebook sein, seinen Umgang mit rechtlich problematischen Texten Dritter auf seiner Plattform zu überprüfen und zu ändern. Deutsche und europäische Rechtsstandards müssen von allen Plattformbetreibern beachtet werden.

Damit könnte ein erster Zugang zu einer neuen Kommunikationskultur im Internet, einer „Netiquette 2.0“ eröffnet werden. Netiquette bezeichnet eine Art Selbstverpflichtung, die für alle im Internet in sozialen Foren Kommunizierenden gelten soll. Dabei geht es um Verhaltensempfehlungen, die im Kern auf einen Satz gebracht werden können: „Auch auf der anderen Seite sitzt am Computer ein Mensch!“ Es geht also um respektvollen Umgang miteinander - auch im Netz. Daher gilt es, sich heute intensiv darüber Gedanken zu machen, wie eine solche positive Kommunikationskultur zu befördern ist und wie mit massiv Grenzen verletzendem Verhalten umgegangen werden soll.


„Nutzer brauchen kompetente, erreichbare Ansprechpartner“

Die erste Form einer Netiquette formuliert von Sally Hambridge für die Intel Corporation als RFC 1855 (RFC steht für Request for Comment) ist bereits über 20 Jahre alt. Sie bedarf dringend im Lichte der heutigen sozialen Medien und häufig anonymisierten Kommunikation im Netz einer Überarbeitung, speziell hinsichtlich des Umgangs mit Grenzverletzungen. Eine „Netiquette 2.0“ sollte soziale Standards für den erwünschten Umgang miteinander ebenso befördern, wie klare Hinweise für Betreiber von Plattformen enthalten, welche Mindeststandards an Instrumenten sie für den Konfliktfall vorhalten sollten.

So gilt es – gerade im Blick auf die Auseinandersetzung mit Facebook – Verfahren zu entwickeln, das nötige Personal einzustellen und entsprechend zu qualifizieren. Standard sollte werden, dass Beiträge, die als Grenzen verletzend gemeldet werden, binnen 24 Stunden überprüft und nötigenfalls gelöscht werden. Wird nicht gelöscht, so muss es eine Möglichkeit zum Einspruch und transparente Verfahren geben, wie weiter damit umgegangen werden soll.

Die Nutzer brauchen hierzu kompetente, erreichbare Ansprechpartner der Betreiber. Jenseits der im Kontext von Internet und sozialen Medien erheblich komplexer gewordenen Durchsetzung unserer Rechtsordnung durch die Justiz, sollte es mittels einer neuen „Netiquette 2.0“ gelingen, Standards und Verfahren zu vereinbaren, die das Internet zu einem Sozialraum entwickeln helfen.

Fazit:

- Es braucht eine „Netiquette 2.0“.

- Die „Netiquette 2.0“ sollte Standard und Selbstverpflichtung für alle Betreiber von sozialen Plattformen werden, um das Internet zu einem Sozialraum mit entwickeln zu helfen.

- Es bedarf dabei stets einer Vergewisserung der Betreiber über die rechtlichen Standards, die in den jeweiligen Rechtsräumen zu beachten sind.

- Als Standard sollten gemeinsame Instrumente für die Löschung von Texten, Rückmeldung darüber an die Autoren und transparente Verfahren für Konfliktfälle entwickelt und vereinbart werden.

- Die Nutzer von Plattformen brauchen kompetente, erreichbare Ansprechpartner der Betreiber, die in kurzer Zeit verlässliche Auskünfte geben und nötigenfalls selbst aktiv werden können.

Dieter Janecek ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion und Mitglied im Bundestagsausschuss "Digitale Agenda".

Patrick Friedl ist Vize-Vorsitzender Grünen-Fraktion im Würzburger Stadtrat.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%