Gefährliche Entwicklung In Deutschland leben mindestens 16.500 Reichsbürger – viele davon in Bayern

Die Reichsbürgerszene gilt als gefährlich. In Bayern scheint sie sich besonders wohl zu fühlen – zumindest statistisch betrachtet.

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Angehörige der Szene erfinden teils eigene Ausweisdokumente. Quelle: dpa

München Etwa jeder vierte identifizierte „Reichsbürger“ in Deutschland lebt in Bayern. Dies zeigen Zahlen einer aktuellen Erhebung, die Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch in München im Innenausschuss des Landtags vorgestellt hat. Demnach leben 3850 der bundesweit geschätzten rund 16.500 „Reichsbürger“ im Freistaat. Bei weiteren rund 1400 Personen in Bayern sind nach Angaben Herrmanns die Überprüfungen wegen eines Verdachts noch nicht abgeschlossen. „Wir gehen weiter aktiv und konsequent gegen die Reichsbürgerszene vor“, sagte er.

Den Angaben zufolge gehen die bayerischen Behörden - also Verfassungsschutz und Polizei - aber nicht davon aus, dass Bayern bei den „Reichsbürgern“ besonders beliebt ist. Ein Grund für die hohe Zahl im Freistaat im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet sei die dort fehlende konkrete Aufarbeitung der Szene. Während diese in Bayern sehr umfassend erfasst sei, gingen andere Ländern noch immer von Schätzungen aus, diese fielen meist zu niedrig aus.

Dass sich aber trotz aller Ermittlungen noch immer viele unerkannte „Reichsbürger“ in Deutschland bewegen, zeigt ein aktueller Fall aus Bayern: Am Wochenende hatten Ermittler im oberfränkischen Hof eher zufällig einen mutmaßlichen „Reichsbürger“ gefasst, der bislang nicht aufgefallen und damit auch nicht statistisch erfasst worden war.

Der 61-Jährige soll im Herbst ein Auto in Brand gesetzt haben. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei Waffen und mehr als 2000 Schuss Munition, bei seiner Festnahme war er mit zwei geladenen Pistolen und einem Messer bewaffnet.

Herrmann berichtete, in Bayern sei bislang 269 „Reichsbürgern“ das Recht auf Waffenbesitz entzogen worden. Dabei wurden bis Ende 2017 607 Waffen eingezogen, was häufig gerichtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehe. Ferner seien gegen 18 bayerische Beamte wegen ihrer Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene Disziplinarverfahren eingeleitet worden, darunter seien acht aktive Polizisten. „Bei den sogenannten Reichsbürgern handelt es sich nicht um irgendwelche Spinner, sondern um Leute, die klar außerhalb des Grundgesetzes stehen“, betonte er.

Etwa 60 identifizierte „Reichsbürger“ würden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet, 2017 seien von Mitgliedern der Szene bayernweit 360 politisch motivierte Straftaten verübt worden.

„Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Die gesamte Bewegung wird seit Herbst 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet.

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