




Bundesregierung und Nachrichtendienste arbeiten als Konsequenz aus der NSA-Abhöraffäre weiter intensiv an einem Anti-Spionage-Abkommen mit den USA. Am Montag wollten die Präsidenten von Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesamt für Verfassungsschutz, Gerhard Schindler und Hans-Georg Maaßen, in Washington mit Vertretern der US-Geheimdienste über eine Vereinbarung zur künftigen Zusammenarbeit der Nachrichtendienste verhandeln. Nach dpa-Informationen sollten an den Gesprächen der Chef der umstrittenen National Security Agency (NSA), Keith Alexander, und US-Geheimdienstdirektor James Clapper teilnehmen.
Schindler und Maaßen sprechen nach diesen Informationen über ein Abkommen auf Arbeitsebene zwischen den Geheimdiensten. Vorstellbar sei, dass diese Vereinbarung auf Regierungsebene gehoben werde, hieß es weiter. Eine Vereinbarung auf Arbeitsebene war bereits im August ins Auge gefasst worden. Kanzleramtschef Ronald Pofalla hatte damals erklärt, die US-Seite habe der Bundesregierung den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten. Er habe BND-Chef Schindler gebeten, mit entsprechenden Verhandlungen zu beginnen. Über die Ergebnisse dieser Gespräche war zunächst nichts bekanntgeworden.
Im Zusammenhang mit der Affäre um das Handy von Kanzlerin Angela Merkel, das von der NSA abgehört worden sein soll, hatte vergangene Woche eine hochrangige Delegation aus dem Kanzleramt im Weißen Haus Gespräche geführt. Der außenpolitische Berater der Kanzlerin, Christoph Heusgen, sowie Geheimdienst-Koordinator Günter Heiß hatten mit Clapper, der Nationalen Sicherheitsberaterin Susan Rice, der Antiterror-Beraterin von US-Präsident Barrack Obama, Lisa Monaco, und NSA-Vize John Inglis verhandelt.
FAQs: So werden die Deutschen überwacht
In Deutschland können nach dem Gesetz zur Beschränkung des Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10) Telefonate abgehört werden, wenn ein entsprechender Beschluss eines Richters vorliegt. Dabei geht es in der Regel um schwere Straftaten oder um Friedens- und Hochverrat. Der Bundesnachrichtendienst ist bei der Auslandsspionage nicht auf einen Richterbeschluss angewiesen, muss aber darauf achten, bei seinen Aktionen keine deutschen Staatsbürger zu überwachen. Der NSA und anderen Auslandsgeheimdiensten geht es bei der Telefonüberwachung vor allem um sogenannte Metadaten, also um Informationen, wer mit wem wann telefoniert hat und von welchen Orten aus die Gespräche geführt wurden.
E-Mails haben den Charakter einer Postkarte. Sie können auf ihrem Weg durch das Netz von vielen Menschen mitgelesen werden, auch von Geheimdiensten. Dazu kommen Roboter, die erkennen sollen, ob es sich bei einer Mail um eine unerwünschte Spam-Nachricht oder eine relevante E-Mail handelt. Auch Anti-Virus-Programme der Provider checken eine E-Mail. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei einem ungebetenen menschlichen Mitleser um den Administrator des Netzwerks oder einen unfairen Kollegen handelt, ist deutlich höher, als dass ein Mitarbeiter vom BND oder der NSA am Werk ist.
Nach dem G-10-Gesetz über Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis darf der BND bis zu 20 Prozent der Kommunikation zwischen der Bundesrepublik und dem Ausland auf verdächtige Inhalte prüfen. Die Zahl der nach diesem Gesetz ausgeführten Überwachungsvorgänge hat von 6,8 Millionen im Jahr 2009 auf 2,9 Millionen 2011 und rund 800.000 im vergangenen und voraussichtlich auch im laufenden Jahr abgenommen. Dabei geht es jeweils um Fälle, in die auch deutsche Staatsangehörige involviert sind.
Die DE-CIX muss nach den G10-Bestimmungen beispielsweise in Strafverfahren bestimmte Daten herausgeben, wenn ein Richterbeschluss vorliegt. Die Betreiber dementieren energisch, dass die NSA oder andere Auslandsgeheimdienste heimlich auf die Datenleitungen zugreifen können und verweisen auf verschiedene technische Schutzvorrichtungen. Die für eine Überwachung im großen Stil notwendigen Kabelstränge würden auch allen auffallen.
Möglich ist das - vor allem, wenn es um Konfliktregionen wie Afghanistan, Iran oder Syrien geht. Offiziell bestätigt werden solche Aktionen aber nicht. Auf die Frage, ob auch Regierungen von Partnerstaaten wie den USA oder EU-Ländern ausspioniert werden, sagt Regierungssprecher Seibert: „Es gehört nicht zur Politik der Bundesregierung, befreundete Staaten in ihren Botschaften auszuforschen. Ich glaube, das versteht sich von selbst.“
Nach „Spiegel“-Informationen bewegen sich die USA bei den Gesprächen über ein Anti-Spionage-Abkommen auf Deutschland zu. Die Amerikaner seien bereit, auf Industriespionage zu verzichten und dies in der Vereinbarung schriftlich festzuhalten, schrieb das Magazin. Wesentliche Forderungen Berlins an Washington - auf deutschem Boden keine technische Aufklärung zu betreiben und den Regierungschef nicht zu überwachen - seien aber noch ungeklärt.
Snowden-Berichterstattung in Berlin
Was bei den Gesprächen in Washington herausgekommen ist, sollen Maaßen und Schindler am Mittwoch dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichten. Dies wird nach Angaben aus Sicherheitskreisen erneut zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Außerdem werde der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele über sein Treffen mit dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden berichten. Dass der Whistleblower Asyl in Deutschland bekommt, ist allerdings unwahrscheinlich, denn die Bundesregierung will es sich mit den USA nicht verderben. Berlin und Washington sind um eine Entschärfung des NSA-Konflikts bemüht. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte: „Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung.“ Alle Kontakte mit den USA über die NSA-Spähaffäre liefen in diesem freundschaftlichen Geiste ab.
Die Forderungen nach einer Befragung des Informanten Edward Snowden in Deutschland reißen aber nicht ab. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der Snowden vorige Woche in Moskau getroffen hatte, forderte am Montag noch einmal sicheren Aufenthalt für den ehemaligen NSA-Mitarbeiter in Deutschland - „frei von US-Zugriff“. Die Regierung müsse alle Möglichkeiten nutzen, so dass Snowden in Deutschland aussage und Schutz erhalte. Er müsse nicht an die USA ausgeliefert werden. Dagegen sprachen sich deutsche Regierungsstellen und Unionsabgeordnete für eine Anhörung Snowdens in Moskau aus, wo ihm bis zum Sommer 2014 Asyl gewährt worden war. „Sollte ein Untersuchungsausschuss kommen, gibt es natürlich die Möglichkeit, Snowden in Russland zu befragen“, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Jens Teschke.