#gehwählen Nicht zu wählen ist keine Alternative!

Einige wollen am Sonntag nicht zur Wahl gehen, weil sie sich von der Politik nicht vertreten fühlen. Aber das ist falsch. Denn wer nicht wählt, der darf sich auch nicht beschweren.

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Das vorläufige amtliche Endergebnis – hier sehen Sie, wie die politische Stimmung im Land ist.

Eins vorweg: Ja, ich würde mir auch gerne eine neue politische Partei zusammenmischen. Ein bisschen Energiewende von den Grünen, Bürgerrechte von der FDP und den Kita-Ausbau von der SPD. Aber das Leben ist nun mal kein Rührkuchen, vorerst muss ich mit dem vorlieb nehmen, was mir als Wähler geboten wird.

Und ja, als 27-jährige Wählerin würde auch ich mir wünschen, dass die Parteien sich stärker mit den Problemen der Zukunft auseinandersetzen würden, anstatt sich für vergangene Leistungen mit Eigenlob zu übergießen. All das ist allerdings kein Grund, der Wahl am Sonntag aus Protest einfach fernzubleiben und die Chance auf Mitbestimmung verstreichen zu lassen.

Leider wird Politikverdrossenheit in Deutschland immer präsenter, in einigen Kreisen scheint es fast schon hip zu sein, die Politiker des Landes mit Nichtbeachtung zu strafen. Auch meiner Generation wird oft nachgesagt, kaum an Politik interessiert zu sein. Wir sind die vielzitierte Generation Y, angeblich arbeitsscheue, von ihren Eltern in Watte gepackte junge Erwachsene unter 35 Jahre, die ihre Null-Bock-Einstellung eben auch auf die Bundestagswahl projizieren. Dieser Eindruck mag bei einigen entstanden sein – und das liegt nicht zuletzt an der Journalistin Andrea Hanna Hünniger. Die 28-Jährige war in den vergangenen Wochen Gast in mehreren Talkshows und hat kaum stichhaltig erklärt, warum sie in ihrem mittlerweile zehnjährigen Erwachsenenleben noch nie gewählt hat. So auch am Donnerstagabend bei Maybrit Illner.

von Konrad Fischer, Jan Eric Blumenstiel

Die Journalistin erklärte, „ihre Generation“ finde im Wahlkampf gar nicht statt und fühle sich in Deutschland nicht repräsentiert. Selbst Akademiker hätten es schwer, einen Job zu finden, seien desillusioniert. Richtig stichhaltige Argumente, warum sie nicht wähle, lieferte Hünniger nicht. Am Ende der Diskussion, auf die Frage, ob sie jetzt vielleicht doch wählen gehe, sagte sie: „Ich bin sowieso nicht in Berlin“. Die Antwort der Runde: „Machen Sie Briefwahl, das ist so ähnlich wie Facebook“.

Hätte Frau Hünniger nur für sich gesprochen: Schade drum, aber halb so wild. Aber die 28-Jährige hat es vorgezogen, sich hinter dem pauschalen Urteil für ihre gesamte Generation zu verstecken. Sie sprach also auch für mich und alle anderen Yer. Damit hat Frau Hünniger unserer Kohorte einen Bärendienst erwiesen. Das sage ich als Mitglied der Generation von Frau Hünniger, vollkommen unabhängig von der Zusammensetzung der Diskussionsrunde bei Frau Illner.

Sind wir eine Generation weinerlicher, politikverdrossener Nichtwähler? Nein, im Gegenteil! Die meisten von uns nehmen ihr demokratisches Recht zu wählen ernst, gerade in den letzten Wochen erinnere ich mich an zahlreiche politische Diskussionen im Kollegen- und Freundeskreis. Auch aus meiner Generation engagieren sich viele politisch, egal in welcher Partei. Fast jeder von uns kennt junge Erwachsene, die zuletzt ihre gesamte Freizeit in den Wahlkampf investierten. Genau deswegen haben sich viele meiner Generation für die Aussagen von Frau Hünniger geschämt, zahlreiche Statements auf Twitter belegen das.

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