Geldpolitik Die Bundesbank rutscht in die roten Zahlen

Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Dr. Joachim Nagel, bei der Jahrespressekonferenz in Frankfurt. Quelle: imago images

Der Bundesbank drohen in den nächsten Jahren hohe Verluste. Um diese zu vermeiden, müsste sie ihre Staatsanleihen rasch verkaufen. Davor schrecken die Notenbanker zurück. Die Zeche zahlen die Steuerzahler. Ein Kommentar.

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Mit der ultralockeren Geldpolitik verhält es sich wie mit einer harten Droge. Setzt man sie ab, zeigen sich ihre zerstörerischen Wirkungen in vollem Umfang. Im Fall der Geldpolitik sind es die Bilanzen der nationalen Notenbanken, in denen sich die Kollateralschäden der Geldflut der vergangenen Jahre nun offenbaren. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche bereits einen Verlust für 2022 gemeldet hatte, den sie nur durch Rückgriff auf ihre Risikovorsorge ausgleichen konnte, meldete heute die Bundesbank, dass sie für 2022 keinen Gewinn ausweisen wird. Der Bundeshaushalt, in den die Gewinne der Notenbank üblicherweise fließen, wird daher leer ausgehen.

Bereits 2020 und 2021 hatte die Bundesbank keine Gewinne an den Staatshaushalt überwiesen. Sie nutzte ihre Erträge lieber, um damit Rückstellungen zu bilden. Zuletzt hatte es 2019 einen Gewinn der Bundesbank gegeben. Damals flossen rund 5,8 Milliarden Euro in die Staatskasse.

Dass die Bundesbank in den vergangenen Jahren Rückstellungen gebildet hat, erweist sich nun, da die EZB den geldpolitischen Hebel umgelegt und die Zinsen kräftig erhöht hat, als Segen. Allein durch den Rückgriff auf die Rückstellungen im Umfang von einer Milliarden Euro gelang es der Bundesbank, einen Verlustausweis zu vermeiden. Als finanzielle Belastung erwiesen sich im vergangenen Jahr unter anderem die Bestände an ausländischen Wertpapieren, in denen die Bundesbank ihre Devisenreserven angelegt hat. Die weltweite Wende bei den Leitzinsen hat die Kurse der Anleihen sinken lassen. Weil die Bundesbank diese Papiere zu aktuellen Kursen bewertet, kam sie um Abschreibungen nicht herum.

Die Zinszahlungen an die Banken steigen

Dass sich der Nettozinsertrag, der wichtigste Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung der Notenbank, im vergangenen Jahr dennoch um rund 1,4 Milliarden Euro auf vier Milliarden Euro verbessert hat, war der vergleichsweise günstigen Ertragssituation in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres zu verdanken. Damals mussten die Banken auf ihre Einlagen bei der Bundesbank noch Strafzinsen in Höhe von 0,5 Prozent an die Notenbank zahlen. Mit der Zinswende im Sommer veränderte sich das schlagartig. Seither hat die EZB den Zins für die Einlagen der Geschäftsbanken bei den nationalen Notenbanken um 300 Basispunkte auf nunmehr 2,5 Prozent angehoben. Statt Zinsen von den Banken zu kassieren, muss die Bundesbank nun Zinsen an die Institute zahlen. Bei den Banken ist der Geldregen nach all den Jahren mit Strafzinsen und flacher Zinsstrukturkurve ein Grund für steigende Gewinne. 

Angesichts der weiterhin viel zu hohen Inflationsraten sind weitere Zinsschritte der EZB vorgezeichnet. Bereits im März dürfte der nächste Schritt nach oben um 50 Basispunkte erfolgen. „Auch danach könnten noch weitere deutliche Zinsschritte notwendig sein“, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel bei der Vorstellung des Geschäftsberichts der Notenbank und deutete damit eine Fortsetzung des geldpolitischen Straffungskurses an. Das bedeutet: die Bundesbank wird demnächst noch höhere Zinsen auf die Einlagen der Geschäftsbanken, die sich aktuell auf 1.200 Milliarden Euro belaufen, zahlen. Weil die Wertpapiere, die die Bundesbank in den vergangenen Jahren im Rahmen der quantitativen Lockerung erworben hat, meist lediglich Bonsai-Zinsen abwerfen, steuert die Notenbank in den nächsten Jahren auf hohe Nettozinsverluste zu.

Für dieses Jahr dürften die Rückstellungen noch reichen, um die erwarteten Nettozinsverluste auszugleichen. Doch schon ab 2024 sei damit zu rechnen, dass dies angesichts der steigenden Zinsaufwendungen nicht mehr gelingt, sagte Nagel. Die Bundesbank werde dann Verlustvorträge bilden und diese durch Gewinne ausgleichen, sobald diese in Zukunft wieder anfallen.

Der Wohlstand sinkt

Im Klartext heißt das: Der Bundesfinanzminister muss sich darauf einstellen, dass er vorerst von der Bundesbank kein Geld für seinen Haushalt erhält. Die Bundesbürger müssen deshalb mit Einschnitten bei den staatlichen Leistungen, höheren Steuern oder höheren Schulden rechnen, die später zu höheren Steuerbelastungen führen. Die ultraexpansive Geldpolitik, die mit ihren umfangreichen Geldleihgeschäften und Anleihekäufen die Einlagen der Banken bei den nationalen Notenbanken hat anschwellen lassen, wird die Bürger auch nach dem Einsetzen der Zinswende finanziell noch lange belasten.

Umso dringender wäre es, die Einlagen der Geschäftsbanken bei den nationalen Notenbanken schnell zu reduzieren. Die Bundesbank müsste dann weniger Zinsen an die Geschäftsbanken überweisen. Das aber erfordert, dass sich die Notenbanker der EZB endlich dazu durchringen, die Anleihen aus ihrem Bestand aktiv zu verkaufen. Davor schrecken sie allerdings aus Angst vor Kursverlusten und steigenden Finanzierungskosten für die hoch verschuldeten Länder der Währungsunion wie Italien und Griechenland zurück.

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Die Aussicht auf jahrelange Verluste der Bundesbank sowie die noch immer extrem hohen Inflationsraten machen überdeutlich, dass die dysfunktionale Währungsunion, anders als von den Politikern versprochen, keinen Wohlstand beschert, sondern diesen vernichtet.

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