Geldwäsche in Deutschland Gangsta's Paradise: So will Lindner jetzt durchgreifen

Christian Lindners Pläne zur Geldwäschebekämpfung. Quelle: imago images

Deutschland gilt als Geldwäscheparadies. Jetzt will der Bundesfinanzminister das Problem mit noch mehr Bürokratie bekämpfen. Kann das funktionieren?

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Der Brief des Bundesfinanzministers an seinen Justizkollegen ist geharnischt und frei von freundlichen Floskeln. Unter dem Betreff „Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus“ mahnt er rasche Maßnahmen zur „Behebung der Defizite“ an und warnt vor „Reputationsschäden“ für Deutschland. So fordere die Staatengemeinschaft Deutschland „ultimativ auf“, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Ewiges Problem

Der Brief ist mehr als acht Jahren alt, geschrieben vom damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an Justizminister Heiko Maas (SPD). Seither ist viel passiert, doch besser geworden ist die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht. In dieser Woche veröffentlicht die OECD-Geldwäsche-Taskforce FATF ihren Deutschland-Bericht. Der Tenor: Es gibt weiterhin schwere Versäumnisse, Deutschland muss dringend effizienter werden. Vier minus mit Rücksicht auf die Eltern.

Nun prescht der inzwischen zuständige Minister Christian Lindner (FDP) vor. An diesem Mittwoch stellt er eine Neuordnung der Geldwäschebekämpfung vor. Im Kern sollen drei neue Behörden geschaffen werden. Zum einen soll eine Bundesoberbehörde zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (BBF) die verschiedenen Aktivitäten bündeln. Zweitens soll ein Bundesfinanzkriminalamt die großen international verzweigten Fälle gezielt bearbeiten.

Drittens will Lindner mit einer Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht die Aktivitäten der vielen kleinen, insgesamt 300 Minibehörden in den Ländern koordinieren, die bisher den Nichtfinanzsektor mehr schlecht als recht kontrollieren. So sind in einigen Bundesländern Standesbeamte nebenher für Meldungen von Gebrauchtwagenhändlern, Juwelieren oder Galerien zuständig. Mit dem erwartbaren Ergebnis nahe null. Die bisherige Geldwäschebekämpfungseinheit FIU, die seinerzeit von Schäuble vom Bundeskriminalamt an den Zoll angegliedert wurde und seither mit ständigen Versäumnissen von sich reden macht, soll in diese Struktur integriert werden. Dazu verspricht das Ministerium, man wolle „die besten Ermittler ausbilden“. Insgesamt soll die Kopfstärke der Geldwäschebekämpfer auf 1000 Personen ansteigen und sich damit gegenüber heute ungefähr verdoppeln. 

Wo bleibt die Guardia di Finanza?

Ob sich dadurch auch die Erfolgsmeldungen verdoppeln? Zunächst einmal sei das Bundesfinanzkriminalamt nur „eine sperrige Worthülse“, sagt Frank Buckenhofer zurückhaltend. Der für den Zoll zuständige Funktionär bei der Gewerkschaft der Polizei findet es aber grundsätzlich gut, dass die Bekämpfung der Geldwäsche in den Fokus der Koalition rückt. Sollte diese Behörde aber nur einen zentralen Charakter haben, könnte sie ihr Ziel verfehlen. „Neben einer koordinierenden Zentralstelle brauchen wir auch Fahnder vor Ort, quasi an der Front, die mit ausreichenden polizeilichen Kompetenzen ausgestattet werden.“ So wie die Guardia di Finanza in Italien.

Woher kommt das Geld für die Villa?

Tatsächlich hatte Bundesfinanzminister Lindner vor einigen Monaten auch die Guardia di Finanza besucht und anschließend von dieser Truppe geschwärmt, die robust gegen Steuerhinterzieher und Geldwäscher jeder Art und insbesondere gegen das organisierte Verbrechen vorgeht. Das nun vorgelegte Konzept zur Geldwäschebekämpfung lässt allerdings die Konturen einer wirksamen Finanzpolizei nach italienischem Vorbild nur vage erkennen, bedauert Buckenhofer. „Wir brauchen einen durchsetzungsstarken ermittelnden Arm, der observiert, durchsucht, befragt und gegebenenfalls auch Telefone abhört und die großen Vermögenswerte der Organisierten Kriminalität aufspürt und sie hinsichtlich ihrer Herkunft hinterfragt.“

Buckenhofer wünscht sich außerdem – wie in Italien – eine Darlegungspflicht. Will sagen: Wer eine große Villa bewohnt und sich vor dem Finanzamt als armer Schlucker darstellt, soll erklären, wie er sich diese leisten kann. Doch genau davor scheint das FDP-geführte Finanzministerium zurückzuschrecken. Diese Art der Beweislastumkehr sei nicht vorgesehen, heißt es in der Leitungsebene.

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Doppelstrukturen mit noch mehr Chaos

Auch die CDU/CSU-Opposition im Bundestag sieht den bürokratischen Umbau bei der Geldwäschebekämpfung kritisch. Viel zu unkonkret seien die Pläne bisher, sagt die finanzpolitische Sprecherin Antje Tillmann. Insbesondere bleibe unklar, wie sich der Fahndungsdienst innerhalb der neuen Behörde zu Zoll, Bundespolizei und Bundeskriminalamt verhalten werde. Tillmann sieht die „große Gefahr einer Schaffung von neuen Doppelstrukturen mit noch mehr Zuständigkeitschaos“. Und ihr Kollege Matthias Hauer plädiert wie Buckenhofer dafür, „die beim Zoll bereits bestehenden polizeilichen Strukturen zu einer schlagkräftigen Finanzpolizei weiterzuentwickeln“.

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Lindner kauft Zeit

Zeit für einen großen Neuanfang gibt es offenbar. So soll der behördliche Umbau zwei Jahre in Anspruch nehmen. Immerhin erkauft sich Finanzminister Lindner damit einen Aufschub gegenüber der internationalen Überwachungsbehörde FATF, die Deutschland gerade ein denkbar schlechtes Zwischenzeugnis ausgestellt hat. Doch irgendwann sollte auch einmal Schluss sein mit dem zweifelhaften Ruf „Gangsta’s Paradise“, so der frühere Linken-Abgeordnete Fabio de Masi. 

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