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Geldwäsche-Sondersitzung Herr Scholz und die gefährliche Leiche

Der Finanzausschuss will Finanzminister Olaf Scholz zu FIU und Cum-Ex befragen. Quelle: REUTERS

Der Finanzausschuss will Finanzminister Olaf Scholz zu FIU und Cum-Ex befragen. Schon im Vorfeld gab es Ärger. Wie viel Transparenz lässt der SPD-Kanzlerkandidat zu?

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Es war ein zähes Gezerre zwischen dem Finanzausschuss und dem Finanzministerium. Die Bundestagsabgeordneten bestanden auf einer Teilnahme des Ministers, das Ministerium blockte. Sondersitzung am Montag um 11 Uhr? Schlecht wegen Wahlkampfterminen! Dann 10 Uhr? Geht wirklich nicht! Sitzung schon am Freitag davor? Auch nicht! Frust und Ärger stiegen, am Ende diktierten die Parlamentarier als Termin Montag, den 20. September 2021 um 10 Uhr.

Es ist ein heikler Termin für den SPD-Kanzlerkandidaten. Knapp eine Woche vor der Bundestagswahl wollen die Finanzpolitiker von FDP, Linken, Grünen und auch der Union den Bundesfinanzminister zum Thema Geldwäschebekämpfung grillen. Oder genauer: zum Versagen bei der Geldwäschebekämpfung. Daneben steht auf der Tagesordnung auch das Thema Cum-Ex-Steuerskandal. Bei dem hat Scholz als früherer Erster Bürgermeister in Hamburg ebenfalls eine erklärungsbedürftige Rolle gespielt.

Anlass für die Sondersitzung war eine Razzia im Bundesfinanzministerium und auch im Bundesjustizministerium am 9. September. Beamte der Staatsanwaltschaft und der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück suchten nach Dokumenten wegen des Verdachts der Strafvereitelung bei der Geldwäschebekämpfungseinheit des Zolls. Konkret ging es um die Verdachtsmeldung einer Bank über eine millionenschwere Transaktion nach Afrika, die die Financial Intelligence Unit offenbar verbaselte. Die FIU ist, und hier kommt Scholz als Verantwortlicher ins Spiel, eine nachgeordnete Behörde des Finanzministeriums und untersteht damit der Aufsicht von Scholz.

Das Versagen der FIU ist keine Überraschung für die Finanzpolitiker des Bundestages. Von Lisa Paus (Grüne) über Fabio De Masi (Linke) bis Markus Herbrand (FDP) weist die Opposition seit Jahren auf das chronische Versagen der Geldwäschebekämpfung in Deutschland hin und versucht über zahlreiche parlamentarische Anfragen Licht ins Dunkel zu bekommen. Und das Bundesfinanzministerium hat trotz diverser Maßnahmen von mehr Personal und besserer IT-Ausstattung die Probleme bei der FIU nicht wirklich in den Griff bekommen.

Wie ein Geisterfahrer

Dabei gab es Hinweise zu Genüge von allen Seiten, quasi ein wildes Gehupe und Anblinken – auf das Minister Scholz wie ein sturer Geisterfahrer reagierte. So hätten auch das SPD-geführte Bundesjustizministerium wie auch SPD-geführte Bundesländer im Bundesrat befürchtet, dass mit dem sogenannten risikobasierten Ansatz der FIU bei der Bearbeitung von Geldwäsche- und Terrorfinanzierungsverdachten ein Gesetzesbruch einhergehe, sagt De Masi. Damit wurden Verdachtsmomente auf Straftaten gar nicht mehr weitergeleitet. Das gehe aber gar nicht, sagt der Linkenpolitiker: „Wenn ich zur Feuerwehr gehe und eine Leiche melde, muss die auch die Polizei informieren und kann das nicht wegheften.“

Für De Masi geht es an diesem Montag bei der Sondersitzung des Finanzausschusses um „die Leichen des verlogenen Haufens namens GroKo“, da ja auch die CDU auch die Lage beschönigt hätte, bevor Scholz 2018 Finanzminister wurde.

Cum-Ex-Skandal

Nun rücke aber „die Stunde der Wahrheit näher“, sagt der FDP-Politiker Herbrand. Jahrelange Untätigkeit fiele „dem selbst ernannten Kämpfer für Gerechtigkeit“ auf die Füße. „Nach Cum-Ex und Wirecard ist die Schwäche im Kampf gegen Geldwäsche ein erneuter Beleg für das Scholz‘ Versagen bei seinen eigentlichen Hauptaufgaben.“

Ob die Sondersitzung an diesem Montag aber wirklich schon zur Stunde der Wahrheit wird? Zweifel sind angebracht. So kurz vor der Bundestagswahl dürfte Scholz kaum ein massives Versagen bei der Geldwäschebekämpfung eingestehen. So wenig wie auch über seine Rolle beim Cum-Ex-Skandal bei der Hamburger Warburg-Bank, als die dortige Finanzbehörde überraschenderweise 2016 auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro aus Cum-Ex-Tricksereien verzichtete. Seine Kontakte zum Warburg-Banker Christian Olearius, eine Hamburger Größe und ein Geldspender für die dortige SPD, gab Scholz nur scheibchenweise zu. Zum Beispiel. Auch gab es offenbar intensive Kontakte des Bundesfinanzministeriums unter Scholz nach Hamburg in Sachen Cum-Ex, über die man lieber nicht sprechen wollte.

Erst wegschließen, nun schwärzen

Cum-Ex soll jedenfalls auch bei der Sondersitzung zur Sprache kommen. Vor allem geht es um das Protokoll einer früheren Befragung von Scholz im Finanzausschuss, das am 1. Juli 2020 stattfand und seither unter Verschluss gehalten wird. Nun drängt der Bundestag auf eine Freigabe, dem das Finanzministerium nur unter der Auflage zustimmen will, dass kritische Passagen geschwärzt werden. Dies würde jedoch dauern, fügte Scholz‘ zuständiger Fachbeamter vor ein paar Tagen in einer Mail an das Ausschusssekretariat hinzu. Doch die Finanzpolitiker haben die Faxen dicke und fordern, das Ministerium solle zur Sondersitzung konkrete Vorschläge für Schwärzungen machen, damit das Protokoll endlich öffentlich zugänglich werden könne.

Und wenn es eng werden sollte in der Sondersitzung – vielleicht rettet ja eine Ton- und Bildstörung Scholz bei seinem Videoauftritt.

Mehr zum Thema: Kanzlerkandidat Olaf Scholz bewirbt sich als erfahrener Kapitän, der Deutschland sicher in die Zukunft steuert. Doch ein Blick auf seine Bilanz als Bundesfinanzminister offenbart eine Reihe von Fehlern und Versäumnissen.

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