Geldwäsche-Spezialeinheit FIU Bringt ein Auftritt vor dem Finanzausschuss Scholz in die Bredouille?

Als Finanzminister war Kanzler Olaf Scholz (SPD) einst für Deutschlands Geldwäschebekämpfung verantwortlich: Hat er diese Aufgabe ernst genug genommen?  Quelle: imago images

Die umstrittene Anti-Geldwäsche-Einheit FIU könnte Olaf Scholz einmal mehr Schwierigkeiten bereiten. Der Kanzler habe 2021 über die desolate Verfassung der Einheit die Unwahrheit gesagt, meint ein CDU-Abgeordneter.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) droht wegen der Anti-Geldwäsche-Spezialeinheit FIU in Erklärungsnot zu geraten. Scholz habe „beim Thema Geldwäschebekämpfung die Unwahrheit gesagt“, behauptet der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.

Hauer ist eine bislang unbeachtete Aussage von Scholz aufgefallen, die der heutige Kanzler bei einem Auftritt wenige Tage vor der Bundestagswahl im September 2021 gemacht hatte: Der SPD-Politiker habe damals im Finanzausschuss erklärt, „dass die Bearbeitungsrückstände bei der FIU abgebaut seien und das Problem gelöst sei“, berichtet CDU-Mann Hauer. Scholz war damals als Finanzminister für die Spezialeinheit zuständig. Die Öffentlichkeit war bei der Ausschusssitzung nicht zugelassen, weshalb die Äußerung von Scholz bisher nicht zum Thema geworden ist. Bundestagsabgeordnete dürfen aber über nicht-öffentliche Sitzungen sprechen. 

Die Scholz-Aussage steht im Widerspruch zum heutigen Wissen über die FIU: Im Herbst des vergangenen Jahres ist bekannt geworden, dass sich bei der Einheit mehr als 100.000 unbearbeitete Geldwäscheverdachtsfälle stauen – die aus den Jahren 2020, 2021 und 2022 stammen. Der Bearbeitungsrückstand festigt Deutschlands Ruf als Geldwäsche-Mekka. Jedes Jahr sollen Kriminelle hierzulande viele Milliarden in den legalen Wirtschaftskreislauf einschleusen. 

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Spezialeinheit verschwieg Bearbeitungsrückstand

Wie die WirtschaftsWoche jüngst exklusiv unter Verweis auf Fragen Hauers an das Finanzministerium berichtete, hatte die FIU den enormen Bearbeitungsstau der Financial Action Task Force (FATF) verschwiegen, der wichtigsten internationalen Organisation zur Geldwäschebekämpfung. Die Folge: Das bescheidene Ergebnis der zentralen FATF-Untersuchung zu Deutschlands Anti-Geldwäsche-Kampf aus dem Sommer fiel womöglich besser aus als es gerechtfertigt war. Der langjährige FIU-Leiter, Christof Schulte, trat am Tag nach dem WirtschaftsWoche-Bericht zurück.

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Zwar ist es möglich, dass zum Zeitpunkt von Scholz’ Aussage vor dem Finanzausschuss das damals von ihm geführte Finanzministerium nicht von den unbearbeiteten Geldwäschefällen wusste. Tatsächlich hat die seit der Bundestagswahl von der FDP gestellte Ministeriumsführung um Christian Lindner jüngst mehrfach betont, erstmalig im August 2022 von dem erneuten Rückstau erfahren zu haben. Scholz’ Äußerung im Finanzausschuss, es existiere kein Rückstau mehr, wirkt aber mindestens waghalsig. Denn: Zu Bearbeitungsstaus war es bei der Spezialeinheit immer wieder gekommen, seitdem die Bundesregierung die FIU 2017 organisatorisch beim Zoll angedockt hatte. Zuvor war sie beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelt gewesen.

Wollte Scholz Erfolge vorweisen, die es gar nicht gab?

Vorgänge bei der Anti-Geldwäsche-Einheit beschäftigen seit mehreren Jahren auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück. Sie geht dem Verdacht nach, dass sich FIU-Mitarbeiter der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht haben könnten. Die Beschäftigten könnten Geldwäscheverdachtsfälle zu langsam an Polizei und Staatsanwaltschaften weitergereicht haben. Die Osnabrücker Staatsanwaltschaft durchsuchte wegen der Ermittlungen sogar kurz vor der Wahl das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium. Diese Razzia war erst der Grund, aus dem sich Scholz vor dem Finanzausschuss zur FIU erklären musste. 

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Warum Scholz trotz der undurchsichtigen Lage aussagte, es lägen keine unbearbeiteten Fälle mehr vor? Der CDU-Politiker Hauer meint, den Grund zu kennen: „Offenbar ging es ihm darum, kurz vor der Wahl Erfolge bei der Geldwäschebekämpfung zu präsentieren, die es in Wirklichkeit gar nicht gab.“

Schon die Möglichkeit, dass das Ministerium kurz vor der Bundestagswahl nicht von dem Fallstau gewusst hat, wirft für Scholz unangenehme Fragen auf: Hatte der heutige Kanzler die Spezialeinheit etwa nicht im Griff? Hat er sich für deren Schwierigkeiten nicht interessiert?

Droht Scholz sogar noch mehr Ärger?

Scholz hatte in der Finanzausschuss-Sitzung vor der Bundestagswahl zugeben müssen, den inzwischen zurückgetretenen FIU-Chef bis zu der Sitzung kein einziges Mal getroffen zu haben. „Scholz hat sich den Problemen bei der FIU nie angenommen, seine Rechtsaufsicht hat auf ganzer Linie versagt“, sagt CDU-Politiker Hauer. Dabei sei eine enge Beobachtung der Behörde „vor dem Hintergrund früherer Bearbeitungsrückstände angebracht gewesen“. 

Eine Sprecherin des Bundeskanzleramts äußert sich nicht: „Bitte haben Sie Verständnis, dass sich das Bundeskanzleramt nur zu Sachverhalten im eigenen Zuständigkeitsbereich äußern kann“, teilt sie mit.

Neben seiner Aussage zu den abgearbeiteten Geldwäsche-Fällen könnte Scholz noch eine zweite Äußerung zu der Spezialeinheit Ärger bereiten – weil ein Geheimgutachten diese infrage stellt, wie die WirtschaftsWoche im November exklusiv berichtete.  

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So hatte Scholz ebenfalls kurz vor der Wahl erklärt, die IT der FIU sei unter seiner Ägide deutlich modernisiert worden. Die Aussage über die IT-Fortschritte bekräftigte Scholz in einem Zeitungsinterview und vor Fernsehkameras. TV-Reportern sagte Scholz: „Es ist dafür gesorgt worden, dass es eine moderne IT-Infrastruktur gibt.“ Dagegen war die Unternehmensberatung Oliver Wyman in dem geheimen Gutachten offensichtlich zu dem Schluss gekommen, die Spezialeinheit habe massive IT-Probleme.

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