Geldwäsche-Spezialeinheit FIU Dieses Gutachten könnte Olaf Scholz in Bedrängnis bringen

Als Finanzminister war Kanzler Olaf Scholz (SPD) einst für Deutschlands Geldwäschebekämpfung verantwortlich: Hat er diese Aufgabe ernst genug genommen?  Quelle: dpa

Deutschland gilt als Geldwäsche-Mekka – auch wegen der fragwürdigen Arbeit der zentralen Geldwäsche-Spezialeinheit. Nun könnte ein Gutachten zu der Behörde Bundeskanzler Olaf Scholz in Erklärungsnot bringen.

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Ein geheimes Gutachten zu Deutschlands zentraler Geldwäsche-Spezialeinheit könnte Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Frage stellen, zeigen WirtschaftsWoche-Recherchen. In dem Papier kommt die Unternehmensberatung Oliver Wyman offensichtlich zu dem Schluss, die Spezialeinheit habe massive IT-Probleme. Scholz hatte im Wahlkampf 2021 das Gegenteil suggeriert. 

Der Kanzler war bis zur Bundestagswahl als Finanzminister für die Behörde verantwortlich, die den Namen Financial Intelligence Unit (FIU) trägt – und geriet deshalb unter Druck. So ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück, ob sich FIU-Mitarbeiter wegen Strafvereitelung im Amt strafbar gemacht haben könnten. Denn: Die Spezialeinheit prüft zwar immer mehr von Banken angezeigte Geldwäsche-Verdachtsfälle, sie gibt aber nur wenige an Polizei und Staatsanwaltschaften weiter – mit der Folge, dass Kriminelle ungehindert Gelder waschen können. 

„Erneuerung der IT priorisieren“

Dieses Problem hat der FIU viele Kritiker eingebracht, die das Wyman-Gutachten bestärken dürfte: Offenbar behindern IT-Mängel die Spezialeinheit bei der Arbeit. So kommen die Berater zu dem Schluss, die Behörde müsse „Maßnahmen in der bestehenden technologischen Infrastruktur zwingend prüfen“ und „die Erneuerung der IT-Landschaft entsprechend priorisieren“. Durch so entstehende „Produktivitätsgewinne können und müssen perspektivisch“ mehr Mitarbeiter die „werthaltigen“ Geldwäschefälle bearbeiten. Dann könne die FIU „ihre Kernaufgabe besser ausfüllen“. An einer anderen Stelle schreiben die Wyman-Experten: Es gebe „ein zeitlich limitiertes Fenster vor IT-Erneuerung“, um andere von ihnen gemachte Verbesserungsvorschläge umzusetzen.



Das Gutachten aus dem September 2021 wird vom Bundesfinanzministerium, das nun Christian Lindner (FDP) führt, als geheim eingestuft. Der WirtschaftsWoche liegen jedoch Auszüge vor. Das Gutachten hatte der ebenfalls dem Finanzministerium unterstellte Zoll beauftragt, bei dem die FIU organisatorisch angedockt ist. 

Im Gegensatz zu dem Wyman-Bericht hatte Scholz die Spezialeinheit kurz vor der Wahl im September 2021 verteidigt. Im Bundestags-Finanzausschuss hatte er erklärt, die FIU-IT sei unter seiner Ägide deutlich modernisiert worden. Zeitweise hätte die Behörde Geldwäsche-Verdachtsfälle gar per Fax empfangen. Die Aussage über die IT-Fortschritte hatte Scholz zudem in einem Zeitungsinterview und vor Fernsehkameras bekräftigt. Vor TV-Reportern sagte Scholz: „Es ist dafür gesorgt worden, dass es eine moderne IT-Infrastruktur gibt. 

Ein weiteres Problem für Scholz: Die Kritik der Wyman-Berater reicht über die IT hinaus. Einmal schreiben die Experten, ein von ihnen empfohlenes neues Analyseverfahren für Geldwäschefälle könne der FIU eine „tragfähige Strategie“ verschaffen. Zudem könne es „akute operative Herausforderungen“ lösen. Ein anderes Mal heißt es, dieses neue Verfahren führe zur „Etablierung einer einheitlichen Bearbeitungsweise mit einem sinnvollen Qualitätsmaß“. Ebenso bemängeln die Wyman-Experten, bei den als Risikoschwerpunkten bezeichneten Arbeitsschwerpunkten der FIU gebe es „Überschneidungen“. 

Die WirtschaftsWoche hatte bereits im April dieses Jahres über das neue Analyseverfahren berichtet, das die Wyman-Berater „2-Level-Modell“ tauften. Die Bearbeitungsstufe „Level 1“ beinhaltet ein Standardverfahren für einfach gelagerte Vorgänge, während Level 2 komplexeren Fällen vorbehalten sein soll. Das Ziel: „Effizienzgewinne zu erzielen“, hatte eine Sprecherin des Finanzministeriums im April gesagt. Die FIU wollte das Verfahren im Verlauf dieses Jahres einführen. 

Geldwäschefälle stauen sich

Die Wyman-Schlussfolgerungen werden zu einem ungünstigen Zeitpunkt publik – jedenfalls für die FIU. Erst vor wenigen Wochen musste die Spezialeinheit eingestehen, dass sich bei ihr mehr als 100.000 nicht final bearbeitete Geldwäschefälle stauen. Diese häufen sich teils bereits seit Jahresbeginn 2020 an. Die Behörde versucht nun, den Rückstau abzuarbeiten: Dementsprechend erhalten Polizeibehörden momentan von der FIU Fälle, die bereits viele Monate alt sind. 

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Das Finanzministerium erklärt zum Wyman-Gutachten, der Bericht sei Teil eines „IT-Erneuerungsprojekts“ der „Informationssysteme“ der FIU. Das Ziel bestehe darin, der Behörde eine „umfassende, zukunftsfähige und möglichst integrierte“ Lösung zur Verfügung zu stellen, um eine „effiziente IT-Unterstützung“ zu ermöglichen. Zudem erweitere die FIU auch die „bestehende IT-Landschaft kontinuierlich und zielgerichtet“. Zu der Äußerung von Scholz im Finanzausschuss wollte das Ministerium keine Stellung nehmen, es habe sich um eine nicht öffentliche Sitzung gehandelt. Die weiteren Kritikpunkte der Wyman-Berater kommentierte das Ministerium ebenfalls nicht.

Das Kanzleramt, die FIU und Oliver Wyman äußerten sich nicht, Kanzleramt und FIU verwiesen auf das Finanzministerium.

Lesen Sie auch, wie Finanzminister Lindner jetzt bei der Geldwäsche durchgreifen will

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