Generationenbilanz Was die Parteiprogramme die nächsten Generationen kosten

Die Wahlprogramme der Parteien kann man nach allen Regeln der Kunst durchleuchten: Was drinsteht, was sie kosten, wie viel Steuererhöhung sie bringen. Das Forschungszentrum Generationenverträge hat untersucht, wie sich die Vorschläge auf die Belastungen der folgenden Generationen auswirken.

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 Studenten sitzen in der Sonne an der Leibniz Universität in Hannover Quelle: dpa

Alle halbe Jahre erstellt Bernd Raffelhüschen eine Studie zur Generationenbilanz. Dann prüft der Freiburger Professor, welche Verpflichtungen den heute jungen Menschen aufgebürdet werden, weil die Gesellschaft derzeit über ihre Verhältnisse lebt. Das Forschungszentrum Generationenverträge unterscheidet dabei die explizite Verschuldung, die also jedermann in den Haushaltsplänen von Bund, Ländern und Gemeinden ablesen kann – und der so genannten impliziten Verschuldung. Das sind jene Zahlungsverpflichtungen in der Zukunft, die heute begründet werden, also beispielsweise künftige Pensionszahlungen für Beamte.

Weil der Staat hierfür, aber beispielsweise auch für die Rentenanwartschaften der Arbeitnehmer, für Gesundheits- oder Pflegekosten keine Rückstellungen aus dem von der heute aktiven Generation erarbeiteten Bruttoinlandsprodukt bildet, müssen künftige Generationen diese Last tragen.

Der fiskalische Jahresrückblick 2012 Quelle: Stiftung Marktwirtschaft

Die explizite Staatsschuld ermittelte der Ökonom mit 80,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Basisjahr 2011). Die verdeckte ist dagegen fast doppelt so hoch: 146,4 Prozent, insgesamt also 226,8 Prozent des BIP. Anders ausgedrückt: Alle Deutschen müssten zwei Jahre und drei Monate alle erzeugten Werte zur Verfügung stellen und dürften nichts konsumieren (nicht mal einen Kaffee zum Frühstück), um diese Verpflichtungen abzutragen.

Raffelhüschens Resultate sind wie immer niederschmetternd. Diesmal sogar noch etwas mehr als sonst. Denn obwohl die Steuereinnahmen immer weiter steigen, der Beschäftigungsstand hoch ist und damit auch der Geldfluss in die Sozialkassen, hat sich die chronische Unterfinanzierung nicht verbessert. Grund sind die zahlreichen Mehrausgaben oder Mindereinnahmen, die Politiker aller Ebenen im Jahr 2012 und Anfang 2013 beschlossen haben. Von der Senkung der Rentenbeiträge bis zu Leistungsausweitungen bei der Pflegeversicherung. Hätte die Politik nämlich nicht neue Wohltaten ausgeschüttet, wäre die Schuld immerhin von rund 230 auf 197 Prozent des BIP gefallen (allerdings nicht durch zusätzliche Einsparungen, sondern vor allem dadurch, dass die Bezugsgröße BIP dank robuster Konjunktur weiter gewachsen ist). So aber kam blieb es bei jenen rund 230 Prozent. „Konsolidierungsstillstand“ nennt Raffelhüschen das, „wir haben die Spielräume nicht für das Richtige genutzt.“ Oder anders herum: Die Politiker freuten sich zwar über die Rekord-Steuereinnahmen, „aber was tun sie damit? Sie geben es alles aus.“

von Max Haerder, Cordula Tutt

Und das dürfte nach der Wahl nicht viel anders werden. Raffelhüschen und sein Kollege Stefan Moog haben nämlich die Programme der großen Parteien daraufhin überprüft, wie sie sich auf die Generationenbilanz auswirken. Das erste Fazit: Besser wird es mit keinem der Politik-Anbieter. Bei ihren Untersuchungen konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die Bereiche Steuern, Familie, Rente, Gesundheit und Soziales sowie Bildung und Investitionen.

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