Gerhart Baum "Es gibt für Richter keine Notwendigkeit, mehr Geld zu verdienen"

Richter sollten sich bei Nebentätigkeiten mehr zurückhalten, fordert der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum. Vortragshonorare für Richter lehnt der FDP-Politiker und Bürgerrechtsanwalt ab.

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Gerhart Baum Quelle: Laif

WirtschaftsWoche: Herr Baum, der Bundesgerichtshof hat mit 73 Prozent die niedrigste Nebentätigkeitsquote der obersten Bundesgerichte, an der Spitze liegen das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht mit jeweils 100 Prozent. Was halten Sie davon?

Gerhart Baum: Das überrascht mich, das hätte ich nicht gedacht. Es geht bei Nebentätigkeiten um einen elementaren Punkt: um die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des Richterstands. Wenn daran auch nur die kleinsten Zweifel entstehen, ist die Grenze überschritten. Jede einzelne Nebentätigkeit muss daher sehr gut begründet sein. Ich sehe die hohen Quoten mit größter Skepsis. Es finden Grenzüberschreitungen statt, die zu hohen Nebeneinkünften führen.

Die höchsten Nebeneinkünfte haben die Richter am Bundesfinanzhof, die 2012 auf durchschnittlich 28 000 Euro pro Kopf kommen. Ist das akzeptabel?

Es gibt für Richter keine Notwendigkeit, mehr Geld zu verdienen. Es kommt aber nicht nur auf die Summe alleine an. Für mich ist das Motiv entscheidend: Warum nimmt ein Richter eine Nebentätigkeit an? Wissenschaftliche Tätigkeiten sind akzeptabel. Wenn ein Richter rechtliche Problemstellungen aus seinem Arbeitsgebiet vertiefen, erforschen, erklären möchte, ist das okay. Der Gelderwerb darf aber niemals ein Motiv sein. Daran habe ich bei dieser Summe allerdings Zweifel.

von Florian Zerfaß, Konrad Fischer

Verfahren vor den obersten Bundesgerichten dauern oft sehr lange, beim Bundesgerichtshof etwa kommt es nach der Revision mitunter erst ein oder zwei Jahre später zum Verhandlungstermin. Ärgern Sie als Anwalt die vielen Nebentätigkeiten da besonders?

Die Hauptaufgabe eines Richters ist es, so schnell wie möglich Recht zu sprechen. Wenn es eine Wechselwirkung zwischen den Nebentätigkeiten und den Verfahrensdauern geben sollte, dann wäre das indiskutabel. Ob dieser Zusammenhang tatsächlich besteht, kann ich nicht beurteilen.

Ist es in Ordnung, wenn Richter für Vorträge Honorare bekommen?

Nein. Dass Richter Kontakte zu Praktikern haben und öffentlich auftreten, ist unerlässlich. Aber das ist in erster Linie Teil ihrer dienstlichen Aufgaben. Es handelt sich um Dienstreisen, daher sollten Vorträge nicht vergütet werden. Falls ein Honorar gezahlt wird, darf der Vortrag auf keinen Fall in den Rahmen der Rechtsmaterie fallen, die die unmittelbare Zuständigkeit eines Richters betrifft. Zu Recht oder zu Unrecht entsteht sonst der Eindruck der Käuflichkeit.

Ein Problem sind auch private Schiedsgerichte. Ein Richter am Oberlandesgericht Hamm kassierte 2012 für ein einziges Schiedsgerichtsverfahren nebenbei 51 000 Euro. Hinnehmbar?

Ist das überhaupt noch eine Nebentätigkeit? Bei dieser Summe muss das Verfahren einen nicht unerheblichen Aufwand bedeutet haben. Die Arbeitskraft eines Richters soll aber seinem Richteramt zugutekommen. Es gibt sicher auch honorarwürdige Anlässe für Nebentätigkeiten. Ein Richter sollte jedoch ein Gespür haben, wo die Grenze liegt.

Bei Vereinen wie der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung oder der Bankrechtlichen Vereinigung geht es weniger ums Geld, weil sie gemeinnützig sind. Allerdings sitzen jeweils Richter des Bundesgerichtshofs mit Konzernanwälten an einem Tisch – was ist davon zu halten?

Ich finde das sehr merkwürdig, auch das beschädigt ihre Unabhängigkeit. Bei der Bankrechtlichen Vereinigung sind viele Konzernjuristen involviert und Anwälte, die hauptsächlich für Versicherungen und Banken arbeiten. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Richter diese Vereinigungen als einfache Mitglieder für den fachlichen Austausch nutzen. Aber es geht nicht, dass ein oberster Richter in einer solchen Vereinigung eine tragende Aufgabe übernimmt. Damit macht er sich zu einem exponierten Vertreter der Gesellschaft, ihrer Mitglieder und ihrer Interessen.

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