Mit dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA könnten nach Ansicht von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) auf Hersteller auch Änderungen beim Schutz regionaler Spezialitäten zukommen. „Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen“, sagte Schmidt dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt
Die Zölle zwischen den USA und den EU sind bereits niedrig. Sie liegen im Schnitt zwischen fünf und sieben Prozent, sagt der deutsche Außenhandelsverband BGA. Da jedoch jährlich Waren im Wert von mehr als einer halben Billion Euro über den Atlantik hin- und herbewegt werden, kann die Wirtschaft Milliarden sparen. Europäische Chemieunternehmen haben 2010 für Exporte in die Vereinigten Staaten fast 700 Millionen Euro in die US-Staatskasse gezahlt. Umgekehrt führten die USA gut eine Milliarde Euro nach Brüssel ab. Wirtschaftsverbände erwarten durch den Fall der Zollschranken weniger Bürokratie für mittelständische Unternehmen und mehr Geld für Investitionen, etwa in Forschung und Entwicklung.
Die deutsche Wirtschaft verspricht sich Impulse in Milliardenhöhe. "Das Freihandelsabkommen könnte unsere Exporte in die Vereinigten Staaten um jährlich drei bis fünf Milliarden Euro erhöhen", sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Die Amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham) rechnet mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 1,5 Prozent. Viele Unternehmen hoffen zudem darauf, einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den USA zu bekommen.
Fast unlösbar scheinen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU in Fragen der Landwirtschaft. "Für die Amerikaner sind Hormonfleisch und Genmais kein Problem, für Europäer ist das dagegen ein 'No-Go'", sagt der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Da kann man sich auch nicht in der Mitte treffen." Die Handelskammer AmCham empfiehlt daher, dass Thema außen vor zu lassen. "Das Thema Agrar würde die Gespräche nur belasten", sagt AmCham-Ehren-Präsident Fred Irwin. "Deshalb wäre es gut, das beiseite zu schieben."
Bei der Angleichung technischer Standards. "Das fängt bei der Länge der Stoßstangen an und hört beim Krümmungswinkel des Rückspiegels auf", sagt BGA-Experte Nagel. "Hier gibt es seit Jahrzehnten unterschiedliche Standards, die sich nicht in wenigen Jahren angleichen lassen." Die Chemieindustrie fordert, vor allem Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz stärker aufeinander abzustimmen.
Die deutschen Exporteure warnen davor, aus dem Freihandelsabkommen eine Art Wirtschafts-Nato zulasten anderer Handelspartner zu schmieden. "Uns stört das Gerede um eine Wirtschafts-Nato", sagte der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Ein Freihandelsabkommen ist nicht dazu da, sich gegen Dritte abzuschotten nach dem Motto 'Jetzt verbünden wir uns gegen die bösen Chinesen'." In der Politik wird das zum Teil genau andersherum gesehen. "Es bleibt nur noch wenig Zeit, gemeinsam mit den USA Standards zu prägen, bevor Wachstumsmärkte wie China und Indien den Takt angeben", sagte der Geschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrats, Thomas Raabe.
Sie können Produkte billiger einkaufen, verspricht beispielsweise der Verband der Automobilindustrie (VDA). "Das würde auch die Kosten eines Autos für den Verbraucher senken", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Auch andere Branchen können mit einer Kostensenkung rechnen. Ob sie den Vorteil an ihre Kunden weitergeben oder den eigenen Gewinn damit steigern, bleibt ihnen überlassen. Produkte können außerdem schneller erhältlich sein, wenn sie einheitlich zugelassen werden - etwa wenn die US-Aufsicht FDA ein neues Medikament freigibt, das damit automatischen die Zulassung in den EU erhält. (Quelle: Reuters)
Er halte die geltenden EU-Regeln für regionale Lebensmittel für „sehr bürokratisch“. Die EU schütze auch solche Spezialitäten, „deren Grundstoffe längst nicht mehr nur in ihren Heimatregionen hergestellt werden“. Darüber habe sich der US-Handelsbeauftragte Michael Froman anlässlich eines Treffens in Washington bei ihm beschwert, so Schmidt.
Die Freihandelsabkommen
Ceta ist die Abkürzung für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen). Die technischen Verhandlungen begannen 2009, beendet wurden sie 2014. Am 27. Oktober soll Ceta unterzeichnet werden. Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und „nichttarifären“ Handelsbeschränkungen wie unterschiedlichen Standards und Normen das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Ceta gilt auch als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), das den weltgrößten Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern schaffen würde. Kritiker sehen durch beide Abkommen unter anderem demokratische Grundprinzipien ausgehöhlt.
TTIP ist ein sich in der Verhandlung befindendes Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter beider Regierungen geheim – auch die nationalen Parlamente der EU erhalten keine detaillierten Informationen.
In dem Abkommen geht es um Marktzugänge durch den Abbau von Zöllen. Zudem sollen globale Regeln entwickelt werden – etwa zur Vereinheitlichung von Berufszugängen innerhalb der Handelszone. Auch Gesundheitsstandards und Umweltstandards sollen angeglichen werden.
Als Blaupause für das Abkommen gilt CETA.
„Es wäre unseren amerikanischen Handelspartnern schwer vermittelbar, dass sie keinen Tiroler Speck oder Holländischen Gouda zu uns exportieren dürften, wenn wir in Europa selbst den Schutz nicht konsequent durchsetzen würden.“
Der US-Vertreter habe signalisiert, dass er bereit sei, im Handelsabkommen Ausnahmen für mit Chlor desinfizierte Hühnchen zu akzeptieren: „Ich habe den Eindruck, die USA haben verstanden, dass Chlorfleisch in Europa nicht vermittelbar ist“, sagte Schmidt. Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP). Verbraucherschützer kritisieren die Geheimverhandlungen von Brüssel und Washington, ebenso geplante Schutzklauseln für Konzerne.