Weitere Schmäh-Zitate des Altkanzlers haben wir in einer Bildergalerie zusammengefasst.
Bei Kohls Aussagen ist zu bedenken, wann die Gespräche geführt wurden. In den Jahren 2001 und 2002 trafen sich Kohl und Schwan zu 105 Sitzungen im Oggersheimer Bungalow Kohls, um dessen Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Kohl hatte sich im Zuge der Parteispendenaffäre mit beinahe allen überworfen.
Seine damalige Frau Hannelore beging 2001 Selbstmord. Kohl rechnete ab, ließ keinen aus. Alle Kränkungen, die er im Laufe seiner Karriere erlitten hatte, arbeitete er ab. Schuld waren immer die anderen.
Viele der Aussagen Kohls, die Schwan genüsslich in dem Buch zitiert, hatte der Ex-Kanzler ausdrücklich nicht für seine Memoiren freigegeben. Schwan interessiert das jedoch herzlich wenig. „Da Helmut Kohl in allererster Linie ein Mann der Öffentlichkeit war und noch immer ist […], darf die 600-Stunden-Bilanz seines Lebens nicht in einem Oggersheimer Keller versauern.“
Selten gehen die Gesprächsprotokolle über aber Abfälligkeiten hinaus. In den wenigen großen Momenten des Buches reiht Kohl keineswegs Schmähungen aneinander, sondern schildert lebhaft zwischenmenschliche Begegnungen.
Mit Boris Jelzin, dem einstigen Präsidenten Russlands, stieg Kohle etwa in die Sauna, um unter Dampf Weltpolitik zu betreiben. „Wenn man nackt auf der Liege liegt und sich über irgendeine Geschichte unterhält, ist das doch etwas anderes, als wenn man geschniegelt mit einer großen Entourage im Konferenzsaal hockt.“
Grandios auch Kohls Erinnerung an eine Wanderung mit Franz Josef Strauß in den bayrischen Alpen: „Strauß war nicht mehr gut zu Fuß. Da habe ich ihn die letzten fünfzig Meter auf dem Buckel geschleppt. Erst später ist mir der Gedanke gekommen, was eigentlich passiert wäre, wenn er mir runtergefallen wäre. Das hätte mir kein Mensch geglaubt. Die hätten alle geschrieben: Der hat ihn runtergeschmissen!“
Leider sind solche Momente in dem Buch rar. Hängen bleibt vor allem das große Lästern. Politjunkies werden beim stolzen Preis von 19,99 Euro für die gebundene Ausgabe zwar trotzdem auf ihre Kosten kommen; alle anderen müssen aber darauf hoffen, dass Heribert Schwan gelingt, was eigentlich sein Anliegen ist: Sobald es die Rechtsprechung zulässt, die Tonbandaufnahmen „in toto zu publizieren“.
Nur bei gravierenden Wiederholungen, redaktionell gekürzt. Sonst aber: gänzlich unverstellt. Kohl pur.