Gesundheitspolitik Röslers Irrtum von den kranken Alten

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Ein besonders dramatisches Beispiel ist der massive Einsatz sehr teurer, angeblich innovativer Krebsmittel an deutschen Krankenhäusern. Sie haben große Nebenwirkungen, verlängern das Leben der Patienten nur um Tage oder Wochen, verursachen aber Zusatzkosten in Milliardenhöhe bei den Krankenkassen. Auch der seit einigen Jahren zu beobachtende Boom bei Rückenoperationen, Knie- und Hüftgelenksimplantaten weckt Zweifel, ob die teure OP immer das Mittel der Wahl war, um den Patienten wirksam zu helfen.

Zudem ist schwer zu begründen, warum der Fortschritt überall auch zu Kostensenkungen führt, nur im Gesundheitswesen nicht. Es spricht viel dafür, dass dies weniger mit den echten Kosten neuer Techniken, Verfahren und Medikamente als mit mangelndem Wettbewerb im Gesundheitssystem und der daraus folgenden geringen Preiselastizität der Nachfrage zu tun hat. Sie macht es möglich, dass eine OP-Schere immer noch das Vielfache einer genauso präzise gearbeiteten Haushaltsschere kosten kann.

Kein Anreiz für Arbeitgeber

Auch der letzte Teil von Merkels Botschaft steht auf tönernen Füßen. Es mag sein, dass die Exportwirtschaft gestärkt wird, wenn die Unternehmen sich am künftigen Gesundheitskostenanstieg nicht beteiligen müssen, obwohl die Lohnzusatzkosten bislang weniger als ein Prozent der Gesamtkosten eines typischen Exportprodukts ausmachen. Doch zur Entlastung der Wirtschaft gehört auch die Gegenrechnung: die Schwächung der Konsumkraft von 70 Millionen Versicherten durch steigende Zusatzbeiträge und für den Sozialausgleich notwendig werdende Steuererhöhungen. Sie wird die Wachstumskräfte auf jeden Fall tüchtig dämpfen.

Schwerer wiegt, dass den Arbeitgebern mit dem Einfrieren ihres Kassenbeitrags jeder Anreiz genommen wird, Druck auf die Politik zu machen, durch echte Strukturreformen die Effizienzreserven im Gesundheitssystem zu heben, statt sich damit herauszureden, dass alles teurer werden muss, weil wir älter werden und der Fortschritt kostet.

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