




Bestechung findet jeder schlecht, der als Konkurrent keine Chance für sein Produkt erhält, der als Patient nicht die beste Versorgung bekommt oder der als Versicherter über die Beiträge solches Verhalten mit bezahlt.
Doch große Besserung im unübersichtlichen Gesundheitswesen ist nicht zu erwarten. Der Bundesgesundheitsminister reagiert auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes, das im vorigen Jahr entschied, niedergelassene Mediziner könnten per se nicht korrupt sein, weil sie keine Beauftragten der Krankenkassen seien. Wer nicht das Geld seines Auftraggebers veruntreut, sondern als Freiberufler sich selbst und seinem Gewissen verantwortlich ist, gegen den konnten Staatsanwälte fortan nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg ermitteln.
Nun soll diese Gesetzeslücke geschlossen werden und eine Strafvorschrift ins Sozialgesetzbuch. Zuwendungen zwischen Gesundheitsprofis sind demnach verboten und besonders schwere Verstöße werden bestraft. Geplant sind Geldstrafen und bis zu drei Jahre Haft.
Ermittler können also wieder mit offizieller Maßgabe vorgehen – wenn das Gesetz vor der Bundestagswahl noch durch kommt. Doch nun fangen die Schwierigkeiten erst an. Nicht immer ist klar, wo Korruption anfängt. Auch den Beteiligten fehlt oft der klare Kompass. Und wo die Geschädigten nichts mitbekommen, fehlt oft auch der Anfangsverdacht für Staatsanwälte oder Ermittler der Krankenkassen. Wo in Unternehmen einzelne Angestellte bestimmte Abläufe irgendwann nicht mehr mittragen wollen, fehlt Patienten meist der Überblick.
Sicher sind bestechliche Mediziner in der Minderheit, sind jene selten, die bewusst auf Kosten der anderen im Gesundheitswesen handeln. 2010 und 2011 haben die gesetzlichen Krankenversicherungen etwa 53.000 Fälle verfolgt, bei denen sie Betrug oder Fehlverhalten witterten. Meist ging es um offensichtlich falsche Abrechnungen. Betroffen sind Ärzte, Apotheker, Sanitätshäuser, Therapeuten, Hebammen, Krankengymnasten, Pflegedienste oder Krankenhäuser. In gut 2600 Fällen wurde die Staatsanwaltschaft tätig. Ärztekammern, die Berufsvertretung der Mediziner, leiteten in den vergangenen Jahren in knapp 1000 Fällen Verfahren gegen Kollegen ein. In den meisten Bundesländern wurden Ärzten deshalb sogar die Zulassung entzogen.
Einiges hat sich bereits auf öffentlichen Druck hin geändert. Ärztliche Fortbildungen waren früher immer wieder offensichtliche Werbeveranstaltungen für Hersteller von Medizinprodukten. Pharmavertreter mit großzügigen Gaben für Arztpraxen sind auch wegen strikterer Regeln bei der Verschreibung seltener geworden.
Doch fragwürdige Gepflogenheiten bleiben. Sehr schwerhörige Patienten bekommen zum Beispiel oft nur Prospekte einzelner Hersteller so genannter Cochlea-Implantate vorgelegt. Die teuren kleinen Technik-Wunder können sogar bei Tauben wieder Hörvermögen herstellen. Was ist mit Assistenzärzten, die Krankenhäuser an Praxen ausleihen? Die Klinik zahlt die Zusatzkraft, der Praxismediziner überweist vielleicht im Gegenzug seine Patienten brav an jenes Krankenhaus.
Der von Minister Bahr geplante Zusatz im Sozialgesetzbuch könnte zudem auf dem Papier abschreckender aussehen als im Alltag. Den Krankenkassen muss nachgewiesen ein Schaden entstehen, damit Strafe folgt. Auch das wird sich im verborgenen Winkel der Korruption nicht immer nachweisen lassen. Die Krankenkassen schließlich sind zudem nicht immer nur Opfer fragwürdiger Praktiken. Sie treten immer häufiger als wirtschaftlich mächtiger Akteur auf, schließen Rabattverträge mit Pharmafirmen und Abmachungen mit anderen Anbietern im Gesundheitswesen. Doch auch sie arbeiten wenig transparent, legen wenige Zahlen ihres Geschäfts nur offen.
Das Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen klingt umfassender als es ist.