Gipfeltreffen der Weltmarktführer 5-Punkte-Plan: Lindner will Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit stärken

Finanzminister Christian Lindner beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023 in Schwäbisch-Hall. Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche

Die aktuellen Konjunkturprognosen sind bescheiden: „Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit war zu lange keine Priorität“, kritisiert Finanzminister Christian Lindner beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer – und stellt seinen Plan für die Zeitenwende vor.

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Robert Habeck (Grüne) hat der befürchteten Rezession vergangene Woche eine Absage erteilt. Es sei gelungen, eine schlimme Wirtschaftskrise abzuwenden, teilte der Bundeswirtschaftsminister anlässlich der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts am 25. Januar in Berlin mit. Das ist eine gute Nachricht. Doch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) reicht das nicht. „Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass alles gut sei“, sagte er auf der WirtschaftsWoche-Veranstaltung „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“ in Schwäbisch Hall am Dienstagabend.

Lindner verwies dabei auf Zahlen des Internationalen Währungsfonds, die zeigen: Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Wirtschaft in Deutschland zwar weniger eingebrochen als anderswo, dafür kommt Deutschland aber auch weniger gut aus der Krise heraus als manche Nachbarländer. Die aktuellen Wachstumsprognosen sind bescheiden. „Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit war zu lange keine Priorität in unserem Land“, kritisiert Lindner.

Zu lange habe man sich der Illusion hingegeben, immer günstige Energie aus Russland zu erhalten, die Sicherheit werde von den USA garantiert und China kaufe immer deutsche Autos. Doch es kam anders – und Deutschland hat in den vergangenen Jahren an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. In einem Gastkommentar in der WirtschaftsWoche forderte Lindner deshalb jüngst eine „Zeitenwende für die Standortpolitik“.

Ansonsten drohe, dass Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft an andere Standorte auf der Welt verloren gingen. Auf dem WirtschaftsWoche-Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall wurde der Finanzminister am Dienstagabend konkreter, wie eine solche Zeitenwende aussehen könnte:

1) Schnellere Genehmigungsverfahren

Um im Kampf um Talente zu bestehen, brauche es hierzulande an erster Stelle schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Laut Lindner gilt das nicht nur für Schienen- und Wasserstraßen, neue Produktionsvorhaben und alternative klimafreundliche Technologien, sondern – anders als die grünen Koalitionspartner sich das wünschten – auch für den Straßenbau.

Wenn Deutschland gezwungen sei, dann seien auch schnellere Verfahren möglich, argumentierte der Politiker und verwies auf das LNG-Terminal in Wilhelmshaven, das binnen knapp 200 Tagen errichtet wurde. „Deutschland steht sich oft selbst im Weg“, schlussfolgerte Lindner. Laut dem Bundesfinanzminister ist das letztendlich sogar eine gute Nachricht. Denn wer sich selbst im Weg stehe, der könne ihn auch selbst wieder freiräumen. „Das neue Tempo in Deutschland“, forderte Lindner, „soll nicht BER sondern LNG sein.“

2) Einwanderung

In Deutschland fehlen längst nicht mehr nur gut ausgebildete Fachkräfte, sondern auch Hilfskräfte. Rund zwei Millionen Stellen sind derzeit unbesetzt. Um mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland für Deutschland zu gewinnen, fordert Lindner schon länger ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Dort erhält jede Person je nach Qualifikation und Erfahrungsstand eine bestimmte Punktzahl und kann sich damit als Einwanderer qualifizieren. Laut Lindner muss bei der Einwanderungspolitik der folgende Leitsatz gelten: „Die irreguläre Migration in den deutschen Sozialstaat muss schwerer werden. Die Einwanderung der Fachkräfte in den Arbeitsmarkt muss leichter sein.“ 

3) Rationale Energiepolitik

„Energiepolitik muss nicht auf dem Parteitag funktionieren. Energiepolitik muss in der Physik funktionieren“, sagte Lindner in Schwäbisch Hall. Es brauche mehr Freiheitsenergien. Bis „mindestens Anfang der 2040er-Jahre aber auch Gas und Öl.“ Importe reichten nicht aus, um diesen Bedarf zu decken. Deutschland müsse auch heimische Möglichkeiten nutzen

Auch beim Thema Wasserstoff muss die Regierung laut Lindner weniger wählerisch sein: „Grüner Wasserstoff ist die Lösung und das Ziel“, sagte er. „Aber auf den Wegen dazwischen sollten wir uns öffnen für blauen – ja gar roten Wasserstoff.“ 

Eindringlich warnte Lindner seinen Kollegen Robert Habeck davor, alte Fehler zu wiederholen. Der Bundeswirtschaftsminister verlasse sich bei einer möglichen Versorgung mit blauem Wasserstoff zu sehr auf Norwegen: „Wir machen uns wieder von anderen abhängig und überlassen die Chance auf Wertschöpfung anderen, obwohl wir uns selbst Wachstum erschließen könnten“, mahnte Lindner.

4) Steuerrecht

Der Forderung von SPD, Grünen und Linken nach einer Vermögensteuer erteilte Lindner beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer erneut eine Absage. In diesen Zeiten sei es „töricht“, als Spitzensteuerland weiter an der Belastungsschraube zu drehen. „Nicht, damit Einzelne reicher werden“, begründete der Minister, „sondern weil wir wissen, dass die Voraussetzung für unseren Wohlstand starke Familienbetriebe sind.“ Das Vermögen in Deutschland sei zu weiten Teilen das betriebliche Vermögen der mittelständischen Betriebe und somit Vermögen, das Innovation und Arbeitsplätze sichere.

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Doch im Kampf gegen Steuererhöhungen steht Lindner zunehmend allein da. „Es wird einsam um mich“, klagte der Politiker auf der Gipfelveranstaltung. Selbst Friedrich Merz habe zuletzt gesagt, zur Finanzierung der Bundeswehr müsste man über einen Solidaritätsbeitrag nachdecken. Zumindest eigentlich, denn einen Soli gibt es ja bereits – zum Leidwesen der FDP, die dessen Abschaffung fordert.

5) Kein Handelsstreit mit den USA

Die letzte Warnung Lindners galt am Dienstagabend einem möglichen Subventionswettlauf mit den USA. Mit dem Inflation Reduction Act planen die Vereinigten Staaten Investitionen in Höhe von 374 Milliarden US-Dollar in den Klimaschutz und die Stärkung von Zukunftsbranchen.

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Hierzulande wird deshalb befürchtet, dass Unternehmen ihre Investitionen ins Auslandverlagern könnten. Rufe nach neuen Handelsbarrieren und Zöllen begegnet Lindner mit dem Aufruf, stattdessen wieder nach mehr Gemeinsamkeiten zu suchen. „Eine Handelsauseinandersetzung zwischen den USA und der Europäischen Union schafft nur Verlierer. Der einzige mögliche Gewinner ist die Volksrepublik China“, mahnte Lindner.

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