Gipfeltreffen der Weltmarktführer Volker Wissing – von der Fax-Republik zum Fortschrittsland?

Der Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer der WirtschaftsWoche. Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche

Der Digitalreport stellt der Ampel-Koalition ein vernichtendes Urteil aus. Doch laut dem Digitalminister ist die Digitalisierung nicht nur Aufgabe der Politik. Auch Bürgerinnen und Bürger müssten sich für Digitalisierung öffnen.

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Beim Thema Digitalisierung ist Deutschland Spätzünder. Das ist das Ergebnis des Digitalreports 2023 des European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School und des Instituts für Demoskopie Allensbach. 96 Prozent der Befragten sind der Ansicht, Deutschland liegt digital zurück. Vor vier Jahren lag dieser Wert noch bei 98 Prozent. Dabei gab es damals – anders als heute – keinen Digitalminister.

Der FDP-Politiker Volker Wissing hat zu seinem Amtseintritt sein Ministerium umbenannt und das Digitale dem Verkehr vorangestellt. Als Deutschlands erster Digitalminister will er Deutschland in die Moderne führen. Doch laut der Umfrage trauen die Deutschen nicht einmal mehr der Digitalisierung predigten Partei FDP zu, die Digitalisierung wirklich nennenswert voranzubringen.
Noch in diesem Jahr jedoch, so verspricht Wissing es bei seiner Keynote auf dem Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall am Mittwoch, soll jeder Bürgerin in Bürger eine digitale Identität erhalten. Bis 2024 soll man sich also online rechtssicher ausweisen können, Behördengänge sollen somit online möglich sein.

Doch das Versprechen ist nicht neu. Die Vorgängerregierung hatte angekündigt, bis Ende 2022 insgesamt 575 Verwaltungsleistungen online zu ermöglichen. Tatsächlich möglich wurden bundesweit stattdessen erstmal nur 30.




Auch die Erklärung der Grundsteuer, die vorgestern fällig war, führt vor Augen, wie weit Deutschland beim Thema Digitalisierung hinterher hängt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regierung im Jahr 2018 aufgefordert, sie neu zu berechnen, weil die Grundsteuer derzeit auf veralteten Werten beruhen. Eigentümer mussten deshalb bis Ende Januar händisch zahlreiche Daten zusammentragen, dabei liegen die Informationen verschiedensten Behörden und Ämtern bereits vor.

Das passe nicht in diese Zeit, kritisiert Wissing in seiner Keynote: „Es gibt keinen Sinn, dass der Staat immer wieder Fragen stellt, dessen Antworten er längst kennt.“ Der Staat erhebe zwar bereits zahlreiche Daten, allerdings immer für einen bestimmten Zweck. Heißt: Die Daten würden nur für den Zeck genutzt, für den die Daten erhoben wurden. „Dabei könnten Daten, die an einer Stelle erhoben werden, an einer anderen Stelle wahre Wunder bewirken“, argumentiert Wissing. Um Probleme wie diese zu lösen, sollen Daten hierzulande dem Minister zufolge standardisiert werden. Das soll es ermöglich, künftig verschiedene Datensätze miteinander zu kombinieren.

„Digitalisierung kann aber nicht nur eine politische Verantwortung sein“, wirft Wissing ein. Viele würden die Relevanz der Digitalisierung nicht erkennen, sie teilweise sogar aktiv zurückdrängen. Das habe der Minister auch bei der Planung des 49-Euro-Tickets zu spüren bekommen. Verkehrsunternehmen hätten ihn teils auf Knien angefleht, das Ticket nicht nur digital, sondern auch auf Papier anzubieten. Denn 40 Prozent der Unternehmen, die den ÖPNV in Deutschland betreiben, verfügen laut Angaben des Ministeriums nicht über eine digitale Ticketkontrolle. Damit würden zahlreiche Daten verloren gehen, die digital dazu beitragen würden, den ÖPNV zu verbessern, so die Kritik von Wissing.

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Die größte Herausforderung ist laut Wissing die fehlende Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich der Digitalisierung anzunehmen. Er denke viel darüber nach, wie Menschen die Notwendigkeit von Digitalisierung erkennen könnten, berichtet der Minister. „Einfach zu sagen: Das ist moderner und besser, reicht nicht“, stellt Wissing fest. Das 9-Euro-Ticket wurde im vergangenen Sommer 52 Millionen Mal verkauft. Knapp die Hälfte der Käufer entschieden sich für ein Papier- statt für ein Handyticket. Zentrales Problem ist laut dem Politiker das noch immer vorherrschende Denken, dass Daten, die nicht erhoben werden, auch nicht missbraucht werden können. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht missbraucht werden, indem es klare Regeln gibt“, fordert Wissing. Dem Minister scheinen die Deutschen mit der Digitalisierung überfordert – nicht anders herum.

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