Gleichbehandlungsgesetz Erfolgsgeschichte mit Mängeln

Das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ hat seit 2006 einiges auf den Weg gebracht. Doch längst nicht alles. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um due Bedeutung.

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Das AGG soll Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht, sexueller Identität, Alter oder einer Behinderung verhindern. Quelle: dpa

Berlin Was ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?
Das AGG soll Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht, sexueller Identität, Alter oder einer Behinderung verhindern. Betroffene können zum Beispiel klagen, wenn sie bei einem Vorstellungsgespräch aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden. Das AGG trat vor zehn Jahren in Kraft und folgte einem entsprechenden EU-Beschluss. Begleitet wurde es von heftigen Debatten und Schreckensszenarien für die Wirtschaft. Am Dienstag stellte die Antidiskriminierungsstelle einen Evaluationsbericht vor und forderte eine Ausweitung des AGG.

Was fordert die Antidiskriminierungsstelle?

Viele Opfer von Diskriminierung haben Angst davor, sich mit ihrem Arbeitgeber anzulegen, erklärt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. Es gebe aber auch viele, die gar nicht von ihrem Recht wissen und es deshalb nicht einfordern. Die Antidiskriminierungsbehörde fordert deshalb eine Ausweitung der Klagefrist auf ein halbes Jahr – bisher mussten Opfer innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntwerden der Diskriminierung klagen. Außerdem plädiert Lüders dafür, das Klagerecht auf Antidiskriminierungsverbände auszuweiten und Betriebsräte und Gewerkschaften mit mehr Befugnissen auszustatten. Zudem fordern die Autoren des Evaluationsberichtes, das künftig AGG auch auf den Einsatz von Fremdpersonal anzuwenden.

Was kommt auf Unternehmen zu?

„Vor zehn Jahren hatten viele befürchtet, dass sich mit dem AGG vieles ändern würde“, sagt Hans-Peter Löw, Arbeitsrechtsexperte bei Allen & Overy: „Heute muss man feststellen: Die meisten Befürchtungen sind nicht eingetreten.“ Als die AGG in Kraft traten, war vom Ende der Vertragsfreiheit, einem neuen Bürokratiemonster und unfairen Mehrkosten die Rede. Anfangs haben die AGG Kosten verursacht, weiß auch Löw: „Personal musste geschult werden, neue Stellen sind entstanden.“ Aber nicht nur haben Unternehmen gelernt, wie man AGG-gemäße Stellenausschreibungen formuliert. Kürzlich hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass das gezielte Einholen von Absagen um dann auf Diskriminierung zu klagen, Betrug ist. Sogenannte AGG-Hopper hatten es zum Geschäftsmodell gemacht, Scheinbewerbungen zu verschicken, um diskriminiert zu werden – und dann klagen zu können.

Wir die Politik auf die Forderungen eingehen?

Christine Lüders ist sich sicher: „Gleichstellung ist ein überparteiliches Ziel, das allen nur wichtig sein kann. Die Frage ist nur, wie man sie erreicht.“ Ob die Forderungen der Antidiskriminierungsstelle umgesetzt werden, ist deshalb unklar. Die Grünen haben sich bereits hinter das Verbandsklagerecht gestellt während die Unionsfraktion skeptisch ist. Der Arbeitgeberverband (DBA) hingegen schlägt Alarm: „Die Vorschläge aus dem verzerrenden Evaluationsbericht gehören nicht ins Bundesgesetzblatt – sondern in den Papierkorb“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Auch wenn die Studienautoren darauf hinweisen, dass es in Ländern wie Österreich oder der Schweiz durchaus gute Erfahrungen mit Verbandsklagen gegeben habe, hält Rechtsexperte Löw ein Verbandsklagerecht für unwahrscheinlich. „Ich glaube nicht, dass die Verbandsklage zur Überprüfung von Einzelentscheidungen kommt. Eher zur Überprüfung von Klauseln in Betriebsvereinbarungen, Arbeits- oder Mietverträgen.“

Wie steht es mit Diskriminierung in Deutschland?

Vielfalt und Toleranz sind heute viel fester im Bewusstsein der Deutschen verankert als noch vor zehn Jahren. „Ein diskriminierungsfreies Umfeld ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, erklärt der Arbeitgeberverband und auch Lüders weiß: „Benachteiligung wird heute nicht nur gerichtlich sondern auch gesellschaftliche geahndet.“ Dennoch beobachtete sie zuletzt einen Anstieg der Nachfragen bei der Antidiskriminierungsstelle – die meisten von Asylwerbern, die sich auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt schwer tun, etwas zu finden. Aber auch sonst ist Diskriminierung auch heute noch alltäglich. Eine Umfrage zeigte zudem: 31,4 Prozent der Deutschen berichten, in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt zu haben – besonders häufig wegen des Alters. In den vergangenen zehn Jahren haben sich jedoch nur rund 15.000 Menschen an die Antidiskriminierungsstelle gewandt. In wie vielen Prozessen das AGG eine Rolle gespielt hat, weiß man nicht – hierzu lägen keine Statistiken vor, erklären die Studienautoren.

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