Gleichberechtigung in Vorständen Wirtschaft trommelt gegen die Frauenquote

Die Frauenquote für Aufsichtsräte wirkt. In Vorständen herrscht dagegen nahezu Stillstand. Familienministerin Katarina Barley will das ändern. Doch ihr neuer Quotenvorschlag stößt in der Wirtschaft auf harten Widerstand.

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In vielen Branchen haben Frauen wenig zu sagen. Quelle: Imago/Westend61

Berlin Für viele war es ein historischer Schritt, als 2015 die Frauenquote Gesetz wurde. Zwei Jahre später zeigt sich: In den Führungsgremien, in denen die gesetzliche Vorgabe gilt, nämlich den Aufsichtsräten, ist der Frauenanteil tatsächlich gestiegen – und zwar auf 30 Prozent. „Die Quote greift“, sagt Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Doch nicht an allen entscheidenden Stellen.

Denn das „Managerinnen-Barometer“ des DIW, das heute in Berlin vorgestellt wurde, zeigt auch: In Unternehmensvorständen hat sich praktisch nichts bewegt. Bei Banken und Versicherungen haben Frauen praktisch keine Chance, in die Vorstände aufzusteigen. Das ruft die Politik auf den Plan. Familienministerin Katarina Barley (SPD) reagierte ungehalten auf den neuerlichen Befund des DIW und brachte eine Frauenquote für Unternehmensvorstände ins Spiel. Die Wirtschaft weist den Vorstoß scharf zurück.

Gesetzliche Quoten für Vorstände privater Unternehmen seien „nicht hilfreich“, sagte Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), dem Handelsblatt. „Eine Quote für Vorstände wäre verfassungswidrig, sie stellt einen massiven Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar.“ Zumal, wie Plöger betonte, über 80 Prozent der Vorstände börsennotierter Unternehmen aus ein bis drei Personen bestünden. „Die Regulierung solcher Kleinstgremien ist unverhältnismäßig.“

Andererseits unterstrich Plöger das große Interesse der Industrie, deutlich mehr weibliche Fach- und Führungskräfte zu gewinnen und zu fördern. „Die Unternehmen haben erkannt, dass sich vor allem durch Vielfalt innerhalb aller Teams optimale Ergebnisse erzielen lassen“, sagte sie.

Für Barley ist indes ein Frauenanteil von unter zehn Prozent – Realität etwa in den Vorständen der großen deutschen Banken – nicht hinnehmbar. Daraus zieht sie die klare Konsequenz: Wo selbstgesetzte Zielgrößen nicht wirkten, seien klare Regelungen notwendig. „Ansonsten wird sich in von Männern dominierten Führungsetagen nichts ändern“, sagte die Familienministerin dem Handelsblatt. Die deutsche Wirtschaft könne es sich nicht leisten, die Potenziale hochqualifizierter Frauen nicht zu nutzen.

In ihrem Wahlprogramm hatte die SPD eine feste Quote von 50 Prozent für Führungsgremien anvisiert. Offen ist jedoch, wie Barley ihre Pläne realisieren will. Eine Regierungsbeteiligung der SPD ist trotz der laufenden Sondierungsgespräche noch nicht sicher. Gleichwohl wird jetzt schon rege über Barleys Vorstoß debattiert. Grüne und Frauenverbände signalisierten bereits Unterstützung für eine Gesetzesverschärfung. Die FDP und der CDU-Wirtschaftsrat reagierten ablehnend.

„Geht die Große Koalition diesen Weg von mehr Quoten und bürokratischen Vorschriften, engen wir die qualitative Personalauswahl nur noch weiter ein“, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, dem Handelsblatt. „Deutschlands Wirtschaft kam bisher auch hervorragend ohne Quoten aus.“

Die DIW-Forscherin Holst hat zusammen mit Katharina Wrohlich die Entwicklung des Frauenanteils in 500 deutschen Unternehmen analysiert. In den gut 100 Unternehmen, die hierzulande seit 2016 an die Quote gebunden sind, ist demnach der Frauenanteil bis Ende 2017 auf gut 30 Prozent angestiegen – fast drei Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr.

Die Quotenpflicht besteht derzeit für über 100 Unternehmen. Das heißt: Sie müssen neue Aufsichtsratsposten so lange mit Frauen besetzen, bis 30 Prozent des Kontrollgremiums weiblich sind. Das gilt allerdings nur für börsennotierte, mitbestimmungspflichtige Konzerne. Wird bei einer Neubesetzung die Quote nicht eingehalten und für einen frei werdenden Posten keine Frau gefunden, sollen Stühle unbesetzt bleiben. Für die wichtigeren Vorstandsposten gibt es keine Quote, sondern nur „freiwillige Zielgrößen“.


Grüne für mehr Quotendruck, FDP dagegen

Dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht zu funktionieren scheinen, zeigt die DIW-Untersuchung. So verglichen die Forscherinnen die Unternehmen, deren Aufsichtsrat einer Geschlechterquote unterliegt, mit den übrigen Firmen. Klares Resultat: Bis zur Einführung der Frauenquote verlief die Entwicklung beider Gruppen ähnlich. Zwar waren in den Unternehmen, die heute einer Quote unterliegen, schon damals etwas mehr Frauen im Aufsichtsrat als bei den anderen Firmen. Seitdem der Gesetzgeber allerdings Vorgaben gemacht hat, hat sich der Abstand deutlich vergrößert: Unter den 200 größten Firmen in Deutschland mit Geschlechterquote liegt der Frauenanteil im Kontrollgremium mittlerweile bei 30 Prozent, in den anderen Firmen allerdings ist nur jeder fünfte Aufsichtsratsposten mit einer Frau besetzt. „Der Druck des Gesetzgebers hat geholfen“, sagt Holst.

Ein ähnliches Phänomen zeigt sich auch in anderen europäischen Ländern: In den Niederlanden etwa, in denen Unternehmen bei Nichteinhaltung der Frauenquote nicht sanktioniert werden, stieg der Anteil der Frauen im Aufsichtsrat weniger stark an als in Ländern, die eine verbindliche Quotenregelung eingeführt haben. „Das ist zwar kein messerscharfer Beweis“, sagt Wrohlich, wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIW. „Aber es suggeriert, dass nur Sanktionen eine Wirkung haben.“

Dass solche Druckmittel hierzulande fehlen, erklärt demnach auch die ernüchternde Entwicklung des Frauenanteils bei der Besetzung von Vorstandsposten. Der Gesetzgeber hat hier keine verpflichtenden Regeln vorgeschrieben. Bei der Repräsentation von Frauen herrscht denn auch in den Vorständen beinahe Stillstand: Im Durchschnitt verblieb der Frauenanteil in den 200 größten Unternehmen der Republik bei etwas mehr als acht Prozent, zeigen die Forscher. Nur bei den 30 Dax-Konzernen habe er sich um zwei Punkte auf 13 Prozent erhöht.

Eine gesetzliche Quote für Vorstände lehnt die FDP ab. „So werden Frauen zu Platzhaltern degradiert und nicht entsprechend ihrer Leistungen gewürdigt“, sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer dem Handelsblatt. „Wir setzen vielmehr auf Anreize für die Unternehmen, verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen.“ Dabei gehe es nicht nur um mehr Frauen in Führungsverantwortung in der Wirtschaft, sondern auch im Öffentlichen Dienst.

Frauen seien in der Leitung von Unternehmen und anderen Führungspositionen „sehr erfolgreich“, ist Beer überzeugt. Zudem arbeiteten gemischte Teams „produktiver und erfolgreicher“. „Wir erwarten daher von Unternehmen in Deutschland eine deutliche Verbesserung des Frauenanteils in Führungspositionen und werden uns dafür auch im Öffentlichen Dienst einsetzen“, betonte Beer.

Die Grünen plädieren für gesetzlichen Druck. „Die aktuellen Zahlen zeigen es erneut: Freiwillige Vereinbarungen bringen nichts. Sie werden leider zu Lasten der Frauen umgangen“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katja Dörner dem Handelsblatt. Während sich der Frauenanteil dank gesetzlicher Quote in den Aufsichtsräten positiv entwickle, gebe es in den Vorständen keine Fortschritte. „Deshalb ist auch hier eine gesetzliche Vorgabe richtig und überfällig.“ Auch Mona Küppers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, einem Dachverband von 60 Frauenorganisationen, sieht den Gesetzgeber am Zug. Sie benannte eine Zielgröße von 30 Prozent – „begleitet von wirksamen Sanktionen“.

Dass es keine verbindlichen Ziele für den Vorstand gebe, „ist schon ein Problem“, sagt auch DIW-Ökonomin Wrohlich. Sie fordert sogar, dass die gesetzlichen Verpflichtungen nicht nur für die obersten Führungsebenen gelten sollen, sondern auch für das mittlere Management. „Der Pool an Frauen, die für Spitzenfunktionen in Frage kommen, muss systematisch von unten nach oben gefüllt werden“, so Wrohlich. So würde es mehr weibliche Chefs in mittleren Führungspositionen geben, die dann aufsteigen könnten.

Konzerne sollten im eigenen Interesse zügig einen Pool geeigneter Kandidatinnen auf- und ausbauen, empfiehlt auch Holst. „Die Unternehmen haben jetzt noch die Chance, selbst aktiv zu werden, sonst wird es eines Tages eine gesetzliche Bestimmung geben.“

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