
Berlin Mit den Weisheiten, die Franziska Giffey als Bürgermeisterin des Berliner Problem-Bezirks Neukölln erlangt hat, will sie nun als Bundesfrauenministerin der Frauenquote mehr Nachdruck verleihen. „In Neukölln habe ich immer gesagt: Wenn Du Regeln hast, ist das gut. Die musst Du aber auch durchsetzen“, sagte die SPD-Politikerin am Mittwochabend in Berlin vor einigen hundert Frauen und einigen Männern beim Forum der Organisation FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte e.V.).
„Sicherheit und Ordnung auch an diesem Punkt“ forderte Giffey mit Blick auf die Gleichstellungspolitik.
Die SPD-Politikerin lobte den Erfolg der gesetzliche Frauenquote: „Die feste Quote gilt. Sie wirkt.“ Aktuell liege der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der betroffenen Unternehmen bei 30,4 Prozent. Doch Giffey beklagte, dass die Quote nur in ihrem unmittelbaren Geltungsbereich wirke. „Wir haben mitten in der Wüste einen Brunnen gebohrt“, sagte die Bundesfrauenministerin. Jetzt sei es dort grün, Wasser fließe. „Aber drum herum ist weiter Wüste“, betonte Giffey.
In Deutschland gilt seit 2016 für die Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen eine verbindliche Geschlechterquote in Höhe von 30 Prozent. Sie betrifft derzeit rund 100 Unternehmen und muss im Zuge der Neubesetzung von Aufsichtsratsposten umgesetzt werden. Frei werdende Posten müssen so lange an Frauen vergeben werden, bis die Quote erreicht ist.
Zudem müssen sich laut Gesetz rund 3.500 börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Managementebenen setzen. Allerdings ist auch die Zielgröße Null zulässig.
Hier will Giffey nun Druck auf die Wirtschaft machen. Sie betonte, der Frauenanteil in den Vorständen der Unternehmen, die unter das Gesetz fielen, liege bei nur sechs Prozent. 41 Prozent hätten nicht auf allen nötigen Ebenen Zielvorgaben festgelegt. Und von den Unternehmen, die Zielgrößen für den Vorstand angäben, lautete in 70 Prozent der Fälle die Zielgröße Null.
„Das ist weder zeitgemäß noch gerecht“, sagte Giffey. „Das ist schlicht dumm.“ Frauen in Führungspositionen seien gut für das Geschäft, das ließe sich an den Geschäftszahlen vieler Firmen ablesen.
Nun verspricht Giffey, der Forderung nach einer Frauenquote mehr „Nachdruck“ zu verleihen. In das Handelsgesetzbuch sollen demnach Sanktionen für den Fall aufgenommen werden, dass die Meldepflicht für die Zielvorgaben für Vorstände und Führungsebenen nicht eingehalten wird. Zudem soll eine Begründungspflicht für die Zielgröße Null eingeführt werden. „Nicht melden und Null melden muss teuer werden“, sagte Giffey.
Zwar seien Sanktionen gegen Unternehmen, die nicht vollständig melden, schon jetzt vorgesehen, sagte Giffey. Bisher sei aber in keinem Fall ein Bußgeld verhängt worden. „Da braucht es offensichtlich nochmal ein klares Wort“, erklärte die Bundesfrauenministerin mit Blick auf die zuständigen Behörden. „Ich glaube, dass wir an den empfindlichsten Körperteil des Mannes, ans Portemonnaie, ranmüssen.“
Den Satz „Frauen können alles“ nannte Giffey als Leitsatz für ihre Gleichstellungspolitik. „Theoretisch können Frauen alles erreichen. Praktisch werden ihnen doch noch viele Steine in den Weg gelegt“, sagte die Ministerin. Sie wolle diese Steine wegräumen, versprach Giffey.
Auch vor der eigenen Tür will Giffey kehren: So solle die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes bis 2025 erreicht werden, was für das Bundesgleichstellungsgesetz festgeschrieben werden solle.
„Das steht natürlich im diametralen Gegensatz zu den schönen Herrenfotos“, sagte Giffey mit Seitenhieb auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der sich mit seiner rein männlichen Führungsriege des Ministeriums hatte ablichten lassen. „Ich finde, reine Männerclubs sind nicht mehr zeitgemäß“, sagte die Bundesfrauenministerin.
Mit Blick auf die anwesenden Frauen sagte Giffey, sie freue sich auf die Rückendeckung einer so engagierten Frauencommunity. Und auch hier hatte sie wieder einen Neukölln-Spruch parat: „Immer wichtig ist Image, Glaubwürdigkeit, Rücken. Das sagen schon die kriminellen Gangs. Aber das ist auch in anderen Kontexten richtig.“