Glücksspiel Der Lotto-Krieg: Glücksspiel-Anbieter klagen um die Wette

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Bundesverfassungsgericht: Quelle: dpa

Denn eigentlich ist mit dem Glücksspielstaatsvertrag gleich dreifach höchstrichterlich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt: Das Glücksspielmonopol ist rechtens, wenn der Staat den Spieltrieb seiner Bürger kanalisiert, indem er als Lotterieveranstalter und Sportwettenanbieter der Spielsucht vorbeugt und über den Jugendschutz wacht. Deshalb ist Minderjährigen die Spielteilnahme verboten. Die Werbung unterliegt strengen Auflagen. Das Glücksspiel im Internet ist untersagt.

Damit ist privaten Anbietern wie Tipp24, die im Internet ihr Geld verdienen, das Geschäftsmodell abhanden gekommen. Das Unternehmen klont in seiner Not im ausländischen Exil die staatlichen Ziehungen und kapert mit beachtlichem Erfolg das monopolistische Lottoschiff in der Heimat. Unternehmer wie Tipp24-Chef Jens Schumann würden wohl gern zurückkehren. Wenn man sie nur ließe. Deshalb jetzt die vielen Klagen, deshalb die juristischen Gefechte. Dem Staat soll klargemacht werden, dass die öffentlichen Lottogesellschaften (vulgo: der Staat selbst) die Regeln verletzen. Die Politik, so das Ziel, möge endlich kapieren: Dieser Glücksspielstaatsvertrag ist von vorn bis hinten großer Murks und gehört abgeschafft.

Mächtiger Club sorgt für Chaos und Ärger

Der Chefankläger der Privaten ist Rainer Jacobs, ein Kölner Jura-Professor, Rechtsanwalt und vor allem: der Vorstandsvorsitzende des Verbands für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen, kurz GIG. Ende vergangenen Jahres gegründet, vertritt der Verband nach eigenen Angaben direkt und indirekt 500 private Glücksspielunternehmen. Ein mächtiger Club hat sich da gefunden. Seine Mitglieder setzten im vergangenen Jahr anderthalb Milliarden Euro um. Genügend Geld, um die besten Anwälte der Republik von der Kette zu lassen.

Aufgabe des Verbands sei es, Marktteilnehmer zu überwachen und Regelverstöße aufzudecken, sagt Jacobs. Sein bisher größter Coup: der Fehltritt eines bayrischen Annahmestelleninhabers. Zunächst trat der Mann auf einem Plakat von Lotto Bayern mit der seriösen Botschaft „Vertrauen durch fachkundige Beratung“ in die Öffentlichkeit. Dann erwischte ihn der GIG-Verband mit der Handykamera beim Verkauf von Sofort-Losen an eine Minderjährige – vor just diesem Plakat.

Ein weiteres Opfer des klagefreudigen Verbands heißt Heinz-Georg Sundermann. Der Chef der Staats-Gesellschaft Lotto Hessen, ein hochgewachsener Mittfünfziger, sitzt in seinem Büro an der Wiesbadener Rosenstraße und weiß gar nicht, wie und wo er anfangen soll mit den Erklärungen. So viele Fälle. So viel Chaos. So viel Ärger.

Zum Beispiel diese Sache mit dem Rocksänger Rod Stewart. Die Hessen sollten mit einer Art Kombi-Los Eintrittskarten für ein Rod-Stewart-Konzert gewinnen und zugleich Lotto spielen können. Im ganzen Bundesland hatte Sundermann die Aktion plakatieren lassen, auf Bussen, Litfaßsäulen – das volle Programm. Die Poster zeigen über dem Sucht-Hinweis ein Konterfei des Sängers.

So nicht, urteilte das Landgericht Wiesbaden, nachdem der GIG-Verband Beschwerde geführt hatte. Die Darstellung von Rod Stewart errege zu viel Aufmerksamkeit. Das widerspreche dem Staatsvertrag. Wieder eine einstweilige Verfügung. Wieder ein Erfolg für den GIG-Verband.

Sundermann stampfte kurzerhand die Aktion ein. Andersfalls hätte er ein Bußgeld von 250.000 Euro oder sechs Monate Ordnungshaft riskiert. Der Manager ist sichtlich genervt. „Was, bitte schön“, fragt er, „hat das noch mit Spielsuchtprävention zu tun?“

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