Glücksspiel Der Lotto-Krieg: Glücksspiel-Anbieter klagen um die Wette

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Rocksänger Rod Stewart: Zu Quelle: AP

Er, der Jurist, verliert allmählich den Glauben in den Rechtsstaat. Oft hätten die Richter zu wenig Kenntnis von der Materie, häufig kassiere die nächsthöhere Instanz Urteile gegen den Staat wieder ein. Doch darüber spreche niemand.

Im Gegenzug könne er nicht gegen illegale private Anbieter im Ausland vorgehen, selbst wenn er das Recht auf seiner Seite habe: „Versuchen Sie mal, ein Urteil gegen einen Unternehmer auf Gibraltar zu vollstrecken.“ Dies habe zur Folge, dass im deutschen Sportwettenmarkt 90 Prozent der Umsätze illegal erwirtschaftet werden. Ja, sagt er irgendwann gequält, der Glücksspielstaatsvertrag sei zwar eine konsequente Lösung der Politik, doch seine Durchsetzbarkeit sei anscheinend problematisch. „Hier brauchen wir eine Lösung.“

Zutiefst unglücklich über den Staatsvertrag ist auch der Unternehmer Norman Faber – freilich aus anderen Gründen. Der Erfinder der Lottotippgemeinschaften ist schwer zu bremsen, sobald er das Wort „Glücksspielstaatsvertrag“ hört. Wie auf Knopfdruck sprudeln dann Wörter wie „unfassbar“, „gnadenloser Kampf“ oder „Willkür reinsten Ausmaßes“ aus seinem Mund.

Der Bochumer kann nicht verstehen, dass er in einigen Bundesländern ausgesperrt werden soll, obwohl der Staatsvertrag gewerbliche Spielevermittler wie ihn zulässt. Wegen solch „behördlicher Willkür“ sei die Arbeit des GIG-Verbandes so wichtig. Es gehe um Chancengleichheit. „Wir müssen da was machen, sonst sind wir dem Staat hilflos ausgeliefert.“

Alle drei, der Chefankläger Jacobs, der Unternehmer Faber, ja insgeheim wohl auch der staatliche Manager Sundermann fürchten, dass das Lottospiel schweren Zeiten entgegengeht. Wegen der scharfen Werbe-Auflagen und des Internet-Verbots verliert die Jagd nach den sechs Richtigen an Popularität. Viele Lottoannahmestellen kämpfen ums Überleben. Die Margen von Tabak und Printprodukten schrumpfen. Je weniger Kioske, desto weniger Lotto.

Problem Nummer zwei hat damit zu tun, dass die Spieler im Schnitt etwa 50 Jahre alt sind. Lotto, das sei gewissermaßen die CDU unter den Glücksspielen, spottet ein staatlicher Lottomanager. Der Nachwuchs tippe im Netz bei der illegalen Konkurrenz.

Spieleinsätze um eine Milliarde gesunken

Tatsächlich sind die Spieleinsätze im deutschen Lotto- und Totoblock im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr um eine Milliarde auf 6,7 Milliarden Euro gesunken. Der Staat verliert Geld, denn fast 40 Prozent der Einsätze fließen in die öffentlichen Haushalte oder kommen gemeinnützigen Vereinen zugute.

Zugleich hat der Staatsvertrag nach Meinung einiger Experten illegale Wetten und Lotterien nicht verhindert. Millionen Deutsche pokern unverzagt im Netz auf ausländischen Servern, tippen dort Sportergebnisse oder spielen Lotto. Die ins Ausland abgewanderten Anbieter müssen weder die Lotteriesteuer zahlen noch an wohltätige Vereine ausschütten.

Trotzdem werden die Regierungschefs der Länder am Vertrag nicht rütteln. Sie sind heilfroh, überhaupt alle 16 Länder unter einen Hut gebracht zu haben. Also wird munter weitergeklagt. Zur Abwechslung mal wieder von den staatlichen Gesellschaften. Sie wollen dem verhassten GIG-Verband die Aktiv-Legitimation absprechen – also die Berechtigung, wettbewerbsrechtliche Verstöße einzuklagen. Dies dürfen nur Verbände, die eine erhebliche Anzahl von Wettbewerbern vertreten. Da viele GIG-Unternehmen aber keine Erlaubnis haben, in Deutschland ihrem Geschäft nachzugehen, seien sie auch keine Wettbewerber.

Die ersten Verfahren laufen schon.

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