WirtschaftsWoche: Frau Füchtenschnieder, in Schleswig-Holstein sollen bald wieder Online-Casinos legalisiert werden. Was bedeutet das für den Spielerschutz?
Ilona Füchtenschnieder: Bevor man einen Markt erweitert, sollte man besser den bestehenden in den Griff bekommen. Betrachten Sie etwa die Situation in den Spielhallen: 60 bis 70 Prozent der Umsätze in Spielhallen werden von Spielsüchtigen generiert. Gleichzeitig können sich die betroffenen Spieler in Schleswig-Holstein aber nicht landesweit in den Spielhallen sperren lassen. In Hessen ist das etwa möglich und dort haben sich inzwischen 13.000 Menschen sperren lassen. In Online-Casinos gibt es so gut wie gar keine Sperren oder sonstige Kontrollen. Dabei sind Online-Casinos das Crack unter den Glücksspielen. Wer den Markt liberalisiert, muss sich auch um die Spieler kümmern und Schutz vor den Gefahren des Spiels bereitstellen. Freiheit darf eben nicht nur für Unternehmer gelten, sondern auch für die Spieler. Und zu dieser Freiheit gehört die Möglichkeit, dass Spieler sich jederzeit sperren lassen können, wenn sie merken, dass sie die Kontrolle über das Spiel verlieren.
Online-Casinos sind in Deutschland zwar in allen Bundesländern verboten, dennoch kann man problemlos auf ausländischen Seiten spielen. Ist es da nicht besser, den Markt gleich zu liberalisieren und damit auch eine Kontrollmöglichkeit zu schaffen?
Es ist leider die herrschende Meinung, dass man gegen Online-Anbieter ohnehin machtlos sei. Aber das stimmt nicht. Es laufen zahlreiche Untersagungsverfahren etwa gegen die Anbieter von Online-Casinos. In einem Rechtsstaat dauert es eben eine Zeit, bis es höchstrichterliche Urteile gibt. Wenn es die gibt, hat man aber auch eine Handhabe gegen illegale Anbieter. Indem man den Markt jetzt schon liberalisiert, beugt man sich einfach dem Druck der illegalen Anbieter. Es wäre besser, damit noch zu warten.
Welche Spielformen sind denn die gefährlichsten und womit verschulden sich Ihre Klienten am stärksten?
Die meisten Spielsüchtigen sind immer noch beim gewerblichen Geldspielautomatenspiel zu verzeichnen. Mit größerem Abstand dahinter kommen Sportwetten und Online-Casinos, die fast gleichauf liegen. Und die Summen, die im Internet verspielt werden, sind einfach unvorstellbar. Zuletzt hat einer unserer Klienten in wenigen Tagen 34.000 Euro im Online-Casino verspielt. Ein Student verspielte dort in einer einzigen Nacht 8000 Euro. Dabei hatte er dieses Geld nicht einmal auf seinem Konto. Das böse Erwachen kam am nächsten Tag, als der Anbieter das Geld nicht abbuchen konnte. Unsere Gesellschaft muss sich fragen, ob es erlaubt sein soll, so viel Geld zu verspielen, über das die Betroffenen nicht einmal verfügen.
Wie können Sie den Spielsüchtigen helfen?
Wir können ihnen zum Beispiel ganz praktisch helfen, indem wir dieses Geld von den Unternehmen zurückfordern beziehungsweise indem die Klienten ein sogenanntes Charge Back durchführen: Da Online-Casinospiele verboten sind, sind die dadurch entstandenen Forderungen nichtig. Daher fordern wir Kreditkartenfirmen und insbesondere Online-Finanzdienstleister regelmäßig auf, die abgebuchten Beträge an die Kunden zurück zu überweisen.
Zu geringe Mittel erschweren den Kampf gegen Online-Casinos
Und das funktioniert?
Einige Kreditkartenanbieter sind sehr entgegenkommend. Problematisch ist etwa, dass viele Online-Casinos ihre Rechnungen verschleiern, indem sie etwa „Herrenuhr“ unter die Abrechnung schreiben.
Können die Glücksspielaufsichten der Länder etwas gegen die Online-Casinos ausrichten?
Ich hätte mir von den Glücksspielaufsichten der Länder in vielen Punkten ein schärferes Auftreten gewünscht. Man muss aber auch dazusagen, dass diese Behörden unter mangelndem Personal und schlechter Ausstattung leiden. Sie haben schlicht zu wenig Mittel, um es mit den Online-Casinos aufzunehmen. Dadurch sind die Aufsichten den Unternehmen nicht ausreichend gewachsen.
Lotto am Mittwoch: Wie häufig die Deutschen auf das Glücksspiel setzen
In einer stichprobenartigen Umfrage wurden 2015 insgesamt 23.090 Personen ab 14 Jahren gefragt, wie oft sie Lotto am Mittwoch spielen. Die Ergebnisse im Überblick.
Quelle: IFAK; Ipsos; GfK Media and Communication;
0,83 Millionen Personen machten keine Angabe zu ihrem Spielverhalten.
1,18 Millionen Deutsche setzen lediglich einmal in einem halben Jahr auf das Glücksspiel.
1,8 Millionen Menschen versuchen immerhin einmal alle drei Monate ihr Glück bei der Lotto-Ziehung am Mittwoch.
Etwas häufiger - nämlich einmal im Monat - spielen 2,01 Millionen Deutsche Lotto am Mittwoch.
Auch wenn nicht jede Woche: 2,22 Millionen Personen spielten im vergangenen Jahr mindestens zwei Mal pro Monat Lotto am Mittwoch.
Deutlich mehr Umfrageteilnehmer gaben an, nur "selten" Lotto am Mittwoch zu spielen. Laut Hochrechnung war das im Jahr 2015 bei 4,92 Millionen Deutschen der Fall.
Im vergangenen Jahr spielten hochgerechnet 6,44 Millionen Menschen wöchentlich Lotto am Mittwoch.
Die große Mehrheit der Deutschen (49,85 Millionen) hat 2015 ganz auf das Glücksspiel verzichtet und spielte - nach eigenen Angaben - nie.
Im Zuge des neuen Glücksspielstaatsvertrags soll der Vollzug gestärkt werden. Schleswig-Holstein will diesen nun nicht ratifizieren. Ist das ein Schaden für den Spielerschutz?
Man muss ohnehin erst einmal abwarten, wie konkret der Vollzug gestärkt wird. Geplant sind etwa Zentralisierungen der Aufsichten. Zudem ermöglicht der neue Glücksspielstaatsvertrag endlich zentrale Sperren für Spielsüchtige in Wettbüros. Aber in Spielhallen können sich Spieler auch durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag wieder nicht zentral sperren lassen. Insofern ist diese neue Regelung für den Spielerschutz ohnehin nicht wirklich befriedigend.
Wie können Sie Spielern mit problematischem Verhalten noch helfen?
Vor allem können wir den Leuten die Scham nehmen, die mit Glücksspielsucht einhergeht. Für viele ist es schon wichtig, einmal anonym über dieses Problem reden zu können. Und im Gespräch können wir dann mögliche Wege aufzeigen und etwa an die geeigneten Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder Fachkliniken vermitteln.