Görlachs Gedanken Deutschland aus den Fugen

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Konsens der gesellschaftlichen Mitte gibt es nicht mehr

Wenn eine regierende Partei Opposition spielt und zündelt, wirbelt sie das Parteien-System durcheinander und nun darf sich Deutschland im Reigen der zunehmend unregierbaren Länder willkommen heißen: in Frankreich geht nichts mehr, weil die demokratischen Parteien Angst haben, dass ihr Tun Madame LePen Wähler zuspielt.

In England geschieht nichts mehr, da der drohende Brexit die Regierung lähmt. Ungarn und Polen sind für Europa verloren und mit ihnen in ihrem Windschatten ziehen sie so sympathische Länder wie die Slowakei mit: Kein Muslim soll in das Land mehr immigrieren dürfen, ließ seine Regierung wissen. Keiner. 

Das passt wiederum zu den USA, in die, wenn es nach Donald Trump gehen würde, auch kein Muslim mehr würde einreisen dürfen. Diese Forderung hat er noch einmal übertroffen mit der Ansage, als Präsident für zwei Jahre überhaupt gar keine Arbeitsvisa mehr ausstellen lassen zu wollen.

Die Spitzenkandidaten bei den Landtagswahlen
Ein Wahllokal in Baden-Württemberg Quelle: dpa
Winfried Kretschmann, die Grünen Quelle: AP
Jörg Meuthen, AfD Quelle: dpa
Nils Schmid, SPD Quelle: dpa
Guido Wolf, CDU Quelle: dpa
Rheinland-Pfalz Quelle: dpa
Eveline Lemke, die Grünen Quelle: dpa

Die Republikaner schauen sich jetzt nach einer Alternative für Trump um, aber Ted Cruz, der glaubensstarke Tea-Party-Anhänger, ist nicht wirklich besser. Auch der Diskurs in den Medien wird nun in Deutschland ähnlich hart werden, wie er in den USA schon seit Jahren ist. Seehofer, Stoiber, Klöckner, Wolf: sie haben nicht um die bürgerliche Mitte gekämpft, sondern versucht, die AfD rechts zu überholen. Die Quittung folgte auf dem Fuße: Im Zweifel wählen die Wähler das Original und nicht die Kopie. 

 

Wer hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass die Geschicke der freien Welt einmal in Städten wie Stuttgart, Mainz oder Magdeburg entschieden würden? Das Erstarken der neuen rechtsextremistischen AfD wirbelt nicht nur die Parlamente durcheinander und verunmöglicht die als klassisch gelernten Konstellationen in den Landtagen. Sie wird die Polarisierung, die wir in Deutschland bislang nur aus dem Fernsehen, aus den USA und Frankreich, kannten, in unsere Wohnzimmer, in unsere Familienfeste, in die Kirchengemeinden tragen. Der Konsens der gesellschaftlichen Mitte ist perdu. Die schönen – ruhigen – Jahre sind vorbei.

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