Görlachs Gedanken

Jamaika muss die Kapitalismuskrise überwinden

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Zurück zur sozialen Marktwirtschaft

Schon im Sommer 2011 haben in Teilen Europas führende konservative Denker wie der britische Thatcher-Biograph Charles Moore und der deutsche Publizist und FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher diese Debatte eröffnet als sie fragten, ob die Linke nicht doch recht habe. Nicht, recht gehabt hätte, schon immer, sondern in diesem aktuellen Moment unserer Geschichte. Denn, so nannte es der viel zu früh verstorbene Frank Schirrmacher, die Konservativen, die ohnehin für Metaphysisches anfällig sind, hätten die „Dividende“ niemals eingefordert, die ihnen die neoliberale Lehre von der „unsichtbaren Hand“, die den Markt lenke, versprochen habe. Die deutschen Konservativen hatten sich auf ihrem Leipziger Parteitag 2003 dieser neuen Lehre verschrieben, weil sie an ihre Versprechungen glaubten: eine größere Liberalisierung würde demnach zu mehr Möglichkeiten und mehr gerechter Verteilung führen. Heute wissen wir, dass diese Freiräume einigen großen global agierenden Finanzakteuren, den Superreichen und den großen Digitalkonzernen genutzt haben.

Die potenziellen Partner einer Jamaika-Koalition müssen nun die Weichen stellen für ein Deutschland, das zur sozialen Marktwirtschaft zurückkehrt. Es ist nicht verkehrt dabei daran zu denken, der Mitte der Gesellschaft mehr Luft zu verschaffen. Wir hören ja zu recht von der FDP, dass es bei Steuerentlastungen nicht darum gehen soll, den Menschen mehr Kohle für einen neuen Flachbildschirm oder eine Spielekonsole zu lassen, sondern darum, Wohneigentum zu erwerben, um so für das Alter vorzusorgen.

Fairness bedeutet auch anzuerkennen, dass man nicht von der Krankenschwester und dem Facharbeiter munter abziehen kann, die großen Unternehmen aber nicht zur Steuerkasse gebeten werden. Der Staat muss zur gleichen Zeit an den Stellen investieren, wo er diese verloren gegangene Gleichheit wieder herstellt: in der Bildung, der Forschung, an den Universitäten, am Anfang und am Ende des Lebens, den Kindern, den Kranken, den Alten und den Sterbenden. Dafür hat der Staat das Geld, er muss es nur richtig einsetzen.

Es geht auch nicht um schwarze Null oder Neuverschuldung. Es muss ein neuer Weg gefunden werden. Die Diskussion der vergangenen Jahre hat doch eindrücklich gezeigt, dass es nicht darum gehen kann, an Schräubchen zu drehen, wenn die Systemfrage gestellt ist.

Wo Deutschland Steuergelder verschleudert
Umsatzsteuerbetrug bei EU-Neuwagen Quelle: dpa
Mehrwertsteuer-Chaos bei Auftragsforschung Quelle: dpa
Marine vergibt Aufträge gerne mal direkt Quelle: dpa
Abbuchungswirrwarr bei Sozialbeiträgen Quelle: dpa
Fehlende Kontrolle bei Bundes-Beteiligungen Quelle: dpa
Hardware, die keiner braucht Quelle: dpa
Kein Mallorca-Service der Krankenkassen mehr Quelle: dpa

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