Graichen-Nachfolger Philipp Nimmermann: Versiert, aber nicht verbandelt

Philipp Nimmermann Quelle: imago images

Der vermutlich neue Energie-Staatssekretär ist eigentlich Finanzer. Dieser Abstand zur grün gefärbten Klimaschutzszene war nicht verkehrt, als Robert Habeck bei Philipp Nimmermann anfragte. Beide kennen sich aus Schleswig-Holstein.   

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Erst einmal zwei Dinge, die den wohl künftigen und den entlassenen Energie-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium unterscheiden: Philipp Nimmermann, bisher Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium, gilt als gelassen, ruhig und verbindend. Patrick Graichen, der über Vorwürfe der Vetternwirtschaft gestolpert war, gilt als mindestens zielstrebig, das Wort „Bulldozer“ haben bereits Freund und Feind benutzt.

Nimmermann, wie Graichen promovierter Volkswirt, ist zudem von Haus aus Banker und in Finanzen versiert. Graichen beackerte bereits als Chef der Denkfabrik Agora seit Jahren Energie und Klimaschutz. Die private Nähe zu wesentlichen Akteuren in der grün gefärbten Klimaschutzszene und mangelnde Transparenz bei Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Trauzeugen und den Geschwistern kosteten Graichen letztlich den Job.

Das soll beim 57-jährigen Nimmermann von Anfang an ausgeschlossen sein. Der Ansehensverlust für die Grünen aus der Affäre hat wohl auch eine Rolle gespielt, als Habeck über Himmelfahrt auf der Suche nach einem Nachfolger herumtelefonierte. Es sollte jemand sein, der schnell ins Thema springen kann, der aber nicht zu eng verbandelt ist mit den grün-nahen Expertinnen oder Lobbyisten im Umkreis. Sonst gerät das ganze Projekt Energie- und Wärmewende in Gefahr.

Nun soll der bisherige Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium beamteter Staatssekretär im Bundesministerium werden. Dieser wichtigste Mitarbeiter für Habeck im Ministerium kennt seinen künftigen Chef bereits aus Schleswig-Holstein. 2014 wurde er Staatssekretär bei der grünen Finanzministerin Monika Heinold in Kiel, als Habeck grüner Vize-Regierungschef in Schleswig-Holstein war.

Philipp Nimmermann ist Banker und nicht Biomasse-Verfechter

Anfang 2019 wurde der in Berlin geborene und seit Kindheitstagen in Frankfurt lebende Nimmermann dann wichtigster politischer Beamter beim grünen Vize-Regierungschef Tarek Al-Wazir in Hessen. Der lobt seinen Staatssekretär, der ihm abhanden kommt: „Mir wird er fehlen. Ich traue ihm jedoch auch ohne weiteres zu, die neue Aufgabe zu bewältigen.“     

Der hagere Nimmermann tritt öfter im dreiteiligen Anzug samt Krawatte und Weste auf, vom Habitus ist er Banker nicht Biomasse-Verfechter. Einen Großteil seines Berufslebens, gut 15 Jahre, hat in der Finanzbranche in Frankfurt verbracht. Nach seiner Promotion stieg er als Volkswirt bei der BHF-Bank in Frankfurt ein. Er soll dort auch im Börsenhandel gearbeitet haben. Die Bank verließ er 2014 als Chefvolkswirt und Leiter der Abteilung Finanzmarktanalyse.

Nimmermann ist Grünen-Mitglied und Mitglied beim Fußballbundesligisten Eintracht Frankfurt. 2014 wechselte er in die Politik. Während seines fünfjährigen Abstechers nach Kiel war seine wichtigste und schwerste Aufgabe wohl die Rettung der HSH-Nordbank. Die norddeutsche Landesbank wurde nach milliardenschweren Verlusten von Schleswig-Holstein und Hamburg an ein Konsortium von Finanzinvestoren verkauft. Nimmermann steuerte die Privatisierung als Aufsichtsrat und Landesvertreter maßgeblich.

In Hessen ist der Ökonom im Ministerium unter anderem für die Börsenaufsicht zuständig. In sein Gebiet fällt aber auch die Regulierung des Energiesektors und die Wirtschaftsförderung samt Subventionen, also kennt er sich auch mit dem EU-Beihilferecht aus. Beides wichtige Kenntnisse für den neuen Job im Bundesministerium.

Hört man sich um, nennen manche Nimmermann einen guten Krisenmanager. In Hessen, in der schwarz-grünen Regierung, habe er die Coronahilfen gut administriert. „Er kann Prozesse gut steuern. Und er kennt beide Seiten, Wirtschaft und Politik“, sagt eine, die ihn kennt. Nimmermann wurde auch bereits für einen Vorstandsposten bei der Bundesbank gehandelt.  

Neuer Energie-Staatssekretär hat Abstand zur Energieszene

Noch bleibt offen, ob Nimmermann ähnlich wie sein Staatssekretärskollege Udo Philipp im Bundeswirtschaftsministerium durch private Investments demnächst heikle Fragen beantworten muss, ob Compliance-Regeln und der notwendige Abstand zu den regulierten Wirtschaftszweigen eingehalten wird. Beide Philipps haben Ähnlichkeiten im Werdegang, sie sind Grüne und kommen aus der Finanzbranche.

Nimmermann hat zumindest genug Abstand zu Graichen und der Energieszene in Berlin, um bei Entscheidungen zum Thema nicht angreifbar zu sein. Doch das verlängert auch die Einarbeitung. Schwierige Themen warten: Der kommende Winter könnte aus Energiesicht noch einmal krisenhaft sein. Das Heizungsgesetz soll noch vor der Sommerpause durch den Bundestag und viele Unternehmen fordern einen subventionierten Industriestrompreis. Bleibt auch noch der Streit ums Klimaschutzgesetz, vor allem zwischen Grünen und FDP in der Ampel.

Die Hoffnung bei manchen Grünen allerdings ist, dass grade der Neue mit Abstand zum Berliner Betrieb sich den Themen und Lösungen widmen kann. Der Streit um Patrick Graichen habe zuletzt „Dimensionen wie bei Christian Wulff angenommen“, klagt ein Grüner, der nicht genannt werden will.

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