Die schwarz-rote Bundesregierung arbeitet derzeit an einem neuen Klimaschutzplan bis 2050. Der Entwurf des Umweltministeriums sei nach Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt total aufgeweicht worden, moniert der neue Chef von Greenpeace Deutschland, Roland Hipp. Er ist sich im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sicher, dass die Koalition in Berlin bereits ihre aktuellen Ziele zum Klimaschutz bis 2020 nur schwer erreichen wird.
Welchen Wert hat der jetzige Entwurf für den Klimaschutzplan 2050 noch, der noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll?
Er ist nur noch eine reine Luftnummer, die uns nicht weiterführen wird. Ganz viele klare Sätze wurden einfach rausgestrichen, wesentliche Punkte fehlen in der derzeitigen Version. Gelöscht, gelöscht, gelöscht. Das Wesentliche am Klimaschutzplan 2050 sollte sein, dass man sich Zwischenziele setzt und Zahlen festlegt: Wie kommen wir pro Jahrzehnt runter mit den CO2-Emissionen in den verschiedenen Handlungsfeldern wie Verkehr, Landwirtschaft oder Energiewirtschaft? Doch alles, was in der Ursprungsversion konkret war, ist weg.
Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Die Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung.
Trotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU.
Während Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Benzinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren.
Der seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren.
Das Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid.
Rinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen.
Nicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus.
Flugzeuge stoßen CO2, Stickoide, Wasserdampf, Ruß, Sulfat und andere Partikel aus und verpesten so die Umwelt. Die größte Klimawirkung hat laut atmosfair.de das reine CO2, das immer beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht. Außerdem die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon in einem sensiblen atmosphärischen Stockwerk sowie der Abbau von Methan.
Was ist Ihre Forderung für 2050?
Unser Ziel ist 100 Prozent regenerative Energie bis 2050 in Deutschland. Der Atomausstieg ist besiegelt, ich glaube auch nicht, dass sich da noch was tut. Aber jetzt als nächstes muss ein Kohleausstieg bis 2035 folgen. Wir könnten bis 2050 letztendlich raus sein aus der fossilen Energie. Das ist keine Technikfrage, sondern eine politische Willensfrage. Es herrscht ein Machtkampf der Lobbyverbände.
Auch für 2020 hatte sich Deutschland ja bereits Klimaziele gesteckt. Gibt es noch eine Chance, diese zu erreichen?
Die Bundesregierung hat ja das Ziel 40 Prozent CO2-Reduktion bis 2020. Das wird unglaublich schwierig. Vor allem vor dem Hintergrund, dass positiven Worten der Politik katastrophale Taten folgen. Wir hatten ja gerade eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Eigentlich müsste man ja sagen, um die Klimaschutzpläne zu erreichen, müsste man die regenerativen Energien forcieren. Und was passiert? Man deckelt sie. Wir gehen davon aus, dass der Zubau von regenerativen Energien halbiert wird in den nächsten Jahren durch die Maßnahmen der Bundesregierung.
Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit Erneuerbarer Energien?
US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat kürzlich in einer Ansprache betont, sie wolle massiv in die regenerativen Energien investieren. Denn entweder machten es die Chinesen oder die Deutschen, aber sie möchte, dass es die Amerikaner machen. Das heißt, das wäre auch ein Zukunftsmarkt, den wir eigentlich relativ gut besetzt hatten. Bei Solar etwa waren wir weit vorne - haben wir im Prinzip abgegeben. (...) Nach der Deckelung des Ausbaus von Windkraft stellt sich die Frage, ob uns nicht der nächste Wirtschaftsbereich kaputtgeht.
Welche Hoffnungen verbinden Sie mit der nächsten großen UN-Klimakonferenz im November in Marrakesch?
Wir werden bei der Konferenz anwesend sein, planen gleichzeitig im Mittelmeer eine größere Informationstour über regenerative Energien als Lösung für Atom- und Kohlestrom. Es ist für uns aber nur der Zwischenschritt zu 2018. Im Prinzip werden wir jetzt beobachten, was wird diskutiert, laufen bestimmte Prozesse, zum Beispiel wie werden die Zwischenziele der nationalen CO2-Reduktion festgelegt. Wesentlich wird das Jahr 2018, dann gibt es die ersten Überprüfung, und dann das Jahr 2023 - da ist die zweite Überprüfungsphase, wie weit die einzelnen Länder mit der Zielerreichung ihrer CO2-Reduktion sind und ob sie auf dem richtigen Weg sind.
Seit Jahrzehnten wird in der Bundesrepublik gestritten, wo hoch radioaktiver Atommüll in einem deutschen Endlager sicher weiterstrahlen könnte. Halten Sie den von der sogenannten Endlager-Kommission präsentierten Kompromiss für tragfähig?
Dieser Kompromiss hat zwei eklatante Fehler. Meines Erachtens hat das Verfahren vergiftet, dass man das Endlagerprojekt Gorleben drin gelassen hat. Es entsteht der Eindruck, dass alles nur vorgeschoben ist, um letztendlich doch bei Gorleben zu landen. Wenn man bei der Suche von einer weißen Landkarte redet, dann muss man einfach ein Endlager - bei dem jetzt schon klar ist, dass es schiefgegangen ist - draußen lassen. Der zweite Fehler ist, dass man rein auf tiefengeologische Lagerung setzt. (...) Ich halte den Zeitplan der Regierung, ein Endlager 2050 in Betrieb zu nehmen, für völlig unrealistisch.
Wie beurteilen Sie die Transparenz in diesem Verfahren?
Es wurden einfach wieder Vorschläge auf den Tisch gelegt, ohne große Transparenz. Man hätte erst einmal in die Regionen gehen müssen, um mit den Menschen zu reden und sie mitzunehmen. Jeder, der momentan in der Nähe eines Standortes lebt, eines Zwischenlagers oder eines möglichen Endlagers muss doch beunruhigt sein. (...) Denn irgendwer wird dieses Zeug irgendwann mal vor der Haustür haben. Außer wir schicken ihn ins Ausland - aber da sind wir völlig dagegen. Wir haben ihn produziert, wir sind auch dafür verantwortlich.