Griechenland und die Schulden Deutschland sitzt im Glashaus

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Deutschland mit Schuldenlastquote von knapp 500 Prozent

Dazu trat eine Auslandsverschuldung, die über die Reichsbank gebucht war und in den Statistiken des Reichshaushalts gar nicht auftauchte. Der Löwenanteil hiervon waren Kriegskredite und Kontributionen der besetzten Länder an das Reich während des zweiten Weltkriegs, noch einmal 80 bis 90 Milliarden Reichsmark, sowie vorsichtig gerechnet 15 Milliarden Reichsmark Altschulden aus der Zeit vor 1933. Doppelzählungen herausgerechnet, wäre man damit bei einer Auslandsverschuldung in etwa der Höhe des deutschen Sozialprodukts von 1938 oder wieder von 1950.

Diese Auslandsschulden wurden im Londoner Schuldenabkommen von 1953 geregelt. Nur die Altschulden sollten wieder bedient werden. Die Kriegsschulden selbst wurden von der Regelung ausgeklammert und sollten erst nach einer Wiedervereinigung neu behandelt werden. Dazu ist es nach 1990 aber nie gekommen.

Rechnet man alles zusammen, ergeben sich astronomische Beträge, eine Schuldenlastquote von knapp 500 Prozent, von der nicht mal ein Zehntel bedient worden ist. Auch wenn man rechnet, dass Westdeutschland als deutscher Teilstaat nicht mit der Gesamtschuld belastet werden konnte, verbessert sich das Bild nicht wesentlich.

Schuldenstand der Euro-Länder

Dieser Schuldenerlass mag in Deutschland in Vergessenheit geraten sein. Im Ausland ist das allerdings weniger der Fall. Prominente Ökonomen weisen immer wieder darauf hin, dass Deutschland im Glashaus sitzt.

Und das ist nicht alles. Spulen wir zurück bis in die Dreißigerjahre. Das Dritte Reich kam wirtschaftlich ebenso rasch wieder auf die Füße wie die Bundesrepublik in den Fünfzigerjahren – der Begriff des Wirtschaftswunders wurde schon damals geprägt und erst nach dem Zweiten Weltkrieg neu für die Nachkriegszeit verwendet. Am Anfang dieses Wiederaufschwungs stand ein doppelter Schuldenschnitt, die Streichung der Reparationen im Jahr 1932 und die einseitige, von den Westmächten weitgehend hingenommene Aufkündigung der deutschen Auslandsschulden im Jahr 1933.

Schlimmer noch. Vor den Schuldenschnitten standen drei Jahre Austeritätspolitik unter der Fuchtel einer Troika von Zentralbanken aus England, Frankreich und den USA. Wie heute Griechenland, so damals Deutschland. Wie Papademos und Simitis, so damals Heinrich Brüning. Die Ergebnisse gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Mit Blick auf die deutsche Katastrophe entwickelte Keynes damals seine Lehre von den schädlichen Wirkungen der Sparpolitik. Es sind heute die prominentesten Vertreter des Keynesianismus, die den Schaden anprangern, den die Austeritätspolitik in Griechenland angerichtet hat.

Marx und Engels haben einmal geschrieben, alles in der Geschichte passiere zweimal. Erst als Tragödie, dann als Farce. Tragisch war die Schuldenkrise in Deutschland, zuletzt brachte sie Adolf Hitler an die Macht. Die griechische Schuldenkrise ist gleichsam ihre Wiederholung, ausgerechnet mit Deutschland als dem Hauptgläubiger. Zum Glück hat sie diesmal nur eine Volksfrontregierung an die Macht gebracht.

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