GroKo-Debatte Das AfD-Problem der SPD

Die Aussicht auf eine neue Große Koalition weckt Begehrlichkeiten in der SPD. Führende Genossen wollen den Sondierungskompromiss nachbessern. Andere Sozialdemokraten wollen die GroKo verhindern – wegen der AfD.

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GroKo-Debatte: Sorge vor Oppositionsführerschaft der AfD Quelle: dpa

Berlin In der Debatte um einer Neuauflage der Großen Koalition bahnt sich ein neuer Streit in der SPD an. Das Problem der Sozialdemokraten: Würden sie in eine GroKo eintreten, wäre die AfD die stärkste Oppositionspartei im Bundestag und hätte eine größere Bühne. Sie dürfte den Vorsitz im bedeutenden Haushaltsausschuss stellen – und würde zudem als erste auf Regierungserklärungen der Kanzlerin antworten. SPD-Vize Olaf Scholz brachte das Dilemma für seine Partei kürzlich auf den Punkt: AfD-Fraktionschef Alexander Gauland als Oppositionsführer „mag sich niemand so recht vorstellen“.

Aber sollte die SPD deshalb die Finger von einem Regierungsbündnis mit der Union lassen? Die Frage ist bei den Sozialdemokraten umstritten. Klar scheint: Maßgebliche Vertreter der SPD-Linken wollen um jeden Preis verhindern, was AfD-Chef Jörg Meuthen unlängst als „notwendiges alternatives Politikangebot zu dem Weiter-so-Gewurschtel der ehemaligen Großkoalitionäre“ beschrieb.

„Verantwortung zu tragen, bedeutet auch, Rechtsradikalen und Neofaschisten nicht die Oppositionsführerschaft im Deutschen Bundestag zu überlassen“, heißt es in einem Beschluss der SPD-Jugendorganisation vom Dezember. Das sei vielmehr sogar eine historische Verantwortung, deren Teil die staatspolitische Verantwortung sei, betonten die Jusos. Das sieht auch Frank Schwabe so, Sprecher der „Denkfabrik“, einem Zirkel junger, linker Sozialdemokraten in der SPD-Bundestagsfraktion. Er sagte dem Handelsblatt: „Die SPD sollte sich immer der staatspolitischen Verantwortung stellen. Das kann aber eben auch die Rolle der Oppositionsführung sein.“

Diese Rolle wollten die Genossen ohnehin einnehmen. Zumindest hatte SPD-Chef Schulz eine weitere Große Koalition – die dritte seit 2005 unter Führung Angela Merkels – nach der demütigenden Niederlage bei der Bundestagwahl (20,5 Prozentpunkte) schon kategorisch ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten wollten sich eigentlich lieber außerhalb der Regierung erneuern und hätten damit im Bundestag der starken AfD die Oppositionsführer-Rolle abgenommen.

Aber es kam anders. Als die Jamaika-Verhandlungen gescheitert waren und sich dann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einschaltete, vollzog Schulz eine 180-Grad-Wende. Er ließ sein No-GroKo-Versprechen fallen, plötzlich sprachen wieder alle über eine Koalition mit der Union. Dass die AfD davon profitieren könnte, ist nicht für jeden Sozialdemokraten ein Problem. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sieht die Lage nicht so ernst wie die Jusos. „Oppositionsführerschaft gibt es bei vier Oppositionsparteien real nicht“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt.

Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, hält eine Fokussierung auf die AfD in der Koalitionsfrage ohnehin für unerheblich. „Die Frage, ob es wieder eine GroKo gibt, hängt davon ab, wie viele unserer Forderungen wir umsetzen können, und nicht davon, wer stärkste Oppositionspartei ist“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt.

Der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer glaubt indes, dass die Perspektive einer Oppositionsführerschaft der AfD der SPD-Basis ein zusätzliches Argument liefern könnte, eine erneute Große Koalition abzulehnen. „Denn die SPD würde im Bundestag Regierungspositionen vertreten müssen, die nicht notwendigerweise immer deckungsgleich mit denen der Partei sind“, sagt Neugebauer . Zudem seien weitere negative Auswirkungen für die Sozialdemokraten möglich, etwa „eine schwache Mobilisierung“ von SPD-Wählern bei den kommenden Landtagswahlen.


Die Große Koalition steht für „Weiter so“

Das könnte dann vor allem der AfD nützen. „Sollte der Eindruck entstehen, dass die neue Koalition alles nur aussitzen will und nichts gelernt hat, dann wird die AfD beim nächsten Mal weiter aufwachsen können“, sagt der Politikwissenschaftler Johannes Krause von der Universität Kiel.

Diese Gefahr sieht auch der Rechtspopulismus-Forscher Matthias Quent. „Die Große Koalition steht symbolisch für ein ,Weiter so' und dürfte vor allem Unzufriedene, die sich davon nicht vertreten fühlen, bestätigen und festigen“, stellt der Direktor des Instituts für Demokratie und Gesellschaft in Jena fest. Daher werde ein solches Regierungsbündnis unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wohl dazu beitragen, die Bindung der Sympathisanten an die AfD zu stärken. „Zudem ist bisher kein konkreter Impuls wahrzunehmen, wie die Parteien die große Zahl der parteifernen, aber noch nicht mit dem Rechtsradikalismus liebäugelnden Nichtwähler ansprechen wollen. Es sei zu befürchten, dass dies der AfD als größter Oppositionspartei am besten gelingen könne.

Quent sieht aber auch auf die AfD Herausforderungen zukommen. Mit ihrem Einzug in den Bundestag habe sie zwar „die Repräsentationslücke des latent vorhandenen autoritären, demokratiefernen, national-chauvinistischen und zumindest in Teilen rechtsextremen Teils der Bevölkerung geschlossen“. Allerdings sei die AfD nun Teil des politischen Establishments. „Bei den kommenden Wahlen wird es die programmatisch zwischen Marktextremismus und Sozialpopulismus gespaltene Partei schwerer haben, sich als Underdog und Vertreter des einfachen Bürgers zu inszenieren“, ergänzte der Experte.

Aller Warnungen zum Trotz ist der Politikwissenschaftler Krause indes nicht der Ansicht, dass das AfD-Argument so stark sei, dass die SPD deshalb um jeden Preis in die Opposition wechseln müsse. „In der letzten Wahlperiode war die Linke die stärkste Oppositionsfraktion, dadurch ist die Demokratie bei uns auch nicht beschädigt worden“, sagte Krause.

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