GroKo-Pläne Arbeit ist das halbe Leben

Die SPD hat „gute Arbeit“ versprochen, die Union eine Entlastung der Arbeitgeber. Damit eine Große Koalition eine Chance hat, mussten aber beide zurückstecken. Was die GroKo-Vereinbarung für das Arbeitsleben bedeutet.

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Berlin Was lange währt, wird endlich gut – zumindest aus Sicht der Arbeitnehmer. Das gesetzliche Rückkehrrecht vom Teilzeit- auf den Vollzeitjob soll nun doch kommen. Das Vorhaben hatten Union und SPD schon in ihrem Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart, es war aber auf den letzten Metern der abgelaufenen Wahlperiode noch am Widerstand der CDU/CSU gescheitert. Während die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) das Gesetz schon in Betrieben mit mindestens 15 Beschäftigten greifen lassen wollte, fürchtete die Union eine Überforderung kleiner Firmen und schlug eine Schwelle von 200 Mitarbeitern vor.

Herausgekommen ist nun ein Kompromiss. Das Rückkehrrecht soll nur in Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitern gelten. In Betrieben mit bis zu 200 Beschäftigten wird zudem eine „Zumutbarkeitsgrenze“ eingezogen. Nur eine bestimmte Quote der Beschäftigten kann dann ihren Anspruch zur gleichen Zeit geltend machen. Auch darf der Arbeitgeber Nein sagen, wenn die befristete Teilzeit kürzer als ein Jahr oder länger als fünf Jahre gelten soll.

Ohne die Trophäe Rückkehrrecht hätte sich die SPD wohl kaum auf eine Koalition eingelassen. Schließlich ist Parteichef Martin Schulz mit dem Versprechen angetreten, „gute Arbeit“ zu schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Vor allem junge Mütter stecken aus Sicht der SPD zu oft in der „Teilzeitfalle“ fest. Sie würden, wenn die Kinder größer sind, gerne mehr arbeiten, bekommen aber keine Chance. Das soll sich mit dem Gesetz künftig ändern.

Andere Herzensanliegen der SPD sucht man dagegen vergeblich im Ergebnisprotokoll der Sondierungsgespräche, etwa das Arbeitslosengeld Q. Dafür soll aber die Höhe des Schonvermögens, das ein Hartz-IV-Bezieher behalten darf, überprüft werden. Auch ein Recht auf Weiterbildung konnten die Sozialdemokraten bei der Union nicht durchsetzen, nur ein Recht auf Weiterbildungsberatung. Dies verkauft die Partei jetzt als Einstieg in die von ihr geforderte „Arbeitsversicherung“. Immerhin ist es der SPD gelungen, das Thema Arbeit auf Abruf zu setzen. Beschäftigte, die quasi immer Gewehr bei Fuß stehen müssen und nicht wissen, wie viel sie bis zum Monatsende arbeiten und verdienen, sollen mehr Planungssicherheit bekommen. Offen ist, wie das gehen soll.

Alle drei Parteien bekennen sich zum Ziel der Vollbeschäftigung. Das wird ohne eine bessere Förderung der rund 0,9 Millionen Langzeitarbeitslosen nicht funktionieren. Sollte es zur Großen Koalition kommen, wollen Union und SPD deshalb den Etat der Jobcenter um jährlich eine Milliarde Euro erhöhen. Außerdem soll es für 150.000 Menschen, die absehbar auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben, einen sozialen Arbeitsmarkt geben. Das Geld für Sozialleistungen soll dann stärker in Lohnzuschüsse für die Arbeitgeber fließen.

Der „Pakt für anständige Löhne“, den die SPD versprochen hatte, soll vor allem in der Pflege Wirkung entfalten. Hier wollen die Parteien die Bezahlung „sofort und spürbar“ verbessern. Ziel sind flächendeckende Tarifverträge in der Altenpflege. Dies wird aber ohne weitere Erleichterungen bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung kaum gelingen. Die hat die Union bisher allerdings immer abgelehnt. Die möglichen Koalitionspartner bekennen sich zwar allgemein zur Stärkung der Tarifbindung, sagen aber noch nichts über den Weg dahin.

Finanziell werden die Arbeitnehmer bei einer Neuauflage der Großen Koalition an mehreren Stellen entlastet. So soll der Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden. In der Gesetzlichen Krankenversicherung will Schwarz-Rot den Finanzierungsanteil der Arbeitgeber wieder erhöhen. Vor allem Gering- und Durchschnittsverdiener werden von der schrittweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags profitieren.  Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), hätte sich allerdings auch mehr Entlastung für die Leistungsträger der Gesellschaft gewünscht. Im Wahlkampf hätten Union und SPD zu Recht kritisiert, dass der Spitzensteuersatz zu früh greife und die Steuerbelastung für kleine und mittlere Einkommen zu schnell steige. Sie hätten daher zu Recht versprochen, den Mittelstandsbauch im Steuertarif abzubauen und den Spitzensteuersatz künftig erst ab etwas höheren Einkommen zu verlangen, sagte Pellengahr. Dieses Wahlversprechen werde aber im Ergebnisprotokoll der Sondierungen „mit keiner einzigen Silbe“ erwähnt.

Mehr Licht als Schatten im Sondierungsergebnis sehen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Mitgliedsgewerkschaften: „Im Vergleich zu den Jamaika-Verhandlungen enthält dieses Ergebnis weit mehr Substanz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dazu gehören die Stabilisierung der Rente, die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung, die Stärkung von Bildung und die Verbesserung der Pflege.“ Der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, sprach von „elementaren Verbesserungen für die Beschäftigten und die soziale Gerechtigkeit“.

Konträr fällt das Urteil der Unternehmer aus. Der vorliegende Kompromiss weise eine „klare Schlagseite zur Umverteilung“ auf, kritisierte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Die Wirtschaft hatte die Sondierungen vor allem mit der Befürchtung begleitet, dass eine neue Große Koalition den Faktor Arbeit weiter verteuern könnte. Zwar haben sich Union und SPD geeinigt, die Sozialabgabenlast unter der Marke von 40 Prozent zu stabilisieren. So profitieren auch die Arbeitgeber von dem sinkenden Arbeitslosenversicherungsbeitrag, den sie zur Hälfte zahlen. Dafür wird aber die geplante Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung die Unternehmen fünf Milliarden Euro im Jahr kosten.

So werde das Ziel, die Arbeitskosten stabil zu halten, konterkariert, kritisiert der Vorsitzende des Verbands Die Familienunternehmen, Reinhold von Eben-Worlée: „Mit einer Absenkung der Beiträge zur Rente und der Arbeitslosenversicherung schien Deutschland auf einem guten Weg. Diese Effekte verpuffen nun.“

Arbeitgeberpräsident Kramer erinnert daran, dass die Unternehmer schon heute für mehr als die Hälfte der Krankheitskosten in Deutschland aufkämen. Alleine die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schlage mit 50 Milliarden Euro zu Buche. „Gleichzeitiges Geben und Nehmen bei Sozialbeiträgen zementiert die deutsche Spitzenposition bei der Abgabenlast“, kritisiert auch Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats.

Ihr der Wirtschaft gegebenes Wahlversprechen, als eine der ersten Amtshandlungen die Mindestlohnbürokratie abzubauen, konnte die Union gegenüber der SPD nicht durchsetzen. Es ist nur allgemein von einem neuen Bürokratieabbaugesetz die Rede, mit dem Statistikpflichten verringert werden sollen. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, mit dem die im Augenblick noch geschäftsführende Bundesregierung den Einsatz von Leiharbeitern erschwert hat, soll im kommenden Jahr überprüft werden.

Freuen dürfte die Wirtschaft auch, dass Union und SPD die Zuwanderungsregeln in einem neuen Gesetz bündeln wollen. „Damit wird es uns hoffentlich gelingen, mehr Fachkräfte nach Deutschland zu locken“, sagte der Vorsitzende der  Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Carsten Linnemann (CDU).

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