GroKo-Verhandlungen Klimaschutzziele sollen gesetzlich festgeschrieben werden

Union und SPD einigen sich am Samstag in den Bereichen Umwelt, Energie und Landwirtschaft. In anderen Fragen herrscht weiter Streit.

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Union und SPD haben sich in den Bereichen Umwelt, Energie und Landwirtschaft geeinigt. Quelle: dpa

Berlin CDU, CSU und SPD konzentrieren sich im Endspurt der Koalitionsverhandlungen immer mehr auf die wenigen verbliebenen Streitthemen. Nachdem die Unterhändler am Samstag abschließende Einigungen über die Bereiche Umwelt, Energie und Landwirtschaft erzielten, soll am Abend dann über die schwierigen Kapitel Wohnungsbau/Miete sowie Finanzen gesprochen werden. „Es ist schon unser Ziel, an diesem Wochenende fertig zu werden“, hatte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vor den Beratungen in der CDU-Zentrale in Berlin gesagt. SPD-Vize Manuela Schwesig forderte von der Union erneut Kompromissbereitschaft bei der verlangten Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen sowie der Abschaffung der „Zwei-Klassen-Medizin“.

Beim Klimaschutz verabredeten Union und SPD nach Angaben von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für Sektoren wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude bis 2030 gesetzlich verbindliche Ziele für die Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Sie räumte ein, dass man die nationalen Klimaschutzziele bis 2020 nicht ganz erreichen werde. Aber man wolle die Lücke so klein wie möglich halten. Die Sektorvorgaben sollen 2019 gesetzlich festgelegt werden. Damit sei Deutschland in der Lage, „Klimaschutzpionier zu bleiben und wieder zu werden“, sagte die SPD-Politikerin. Anders als bisher soll der Ausbau der Erneuerbaren Energien künftig nicht mehr gedeckelt werden, sondern man strebe bis 2030 einen 65-prozentigen Anteil im Strommix an.

Die Landwirtschaftsexperten vereinbarten ein Bündel von Maßnahmen, das vom schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat über ein Verbot des Kükenschredderns sowie des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen bis hin zu Maßnahmen gegen Spekulationen mit landwirtschaftlichen Nutzflächen reicht. Beim Kükenschreddern werden jährlich Millionen männliche Küken von Legehühnern kurz nach dem Schlüpfen getötet, weil sie keine Eier legen und als Masttiere nicht geeignet sind.

Den ganzen Tag verhandeln die Spitzen der drei Parteien in wechselnden Formaten im Konrad-Adenauer-Haus. Dabei gilt unter anderem die Verhandlung über Finanzen als schwierig. Denn in den vergangenen Tagen hatten die Fachpolitiker sich auf zahlreiche ausgabenrelevante Projekte geeinigt, die über den in den Sondierungen festgelegten Finanzrahmen von zusätzlichen rund 46 Milliarden Euro bis 2021 hinausgehen. Merkel hatte davon gesprochen, dass es wegen der guten Wirtschaftsentwicklung Spielraum darüber hinaus gebe. Es müsse mehr in Digitalisierung, Sicherheits- und Außenpolitik sowie die Entwicklungshilfe investiert werden, hatte auch CSU-Chef Horst Seehofer gesagt. Sowohl der SPD-Politiker Carsten Schneider als auch Scheuer bremsten aber hohe Ausgabenwünsche. „Da werden wir uns drüberbeugen müssen, weil unser Finanzrahmen natürlich beschränkt ist“, warnte der CSU-Generalsekretär.

Keine Einigung gab es zunächst beim Thema Wohnen/Miete. Die SPD möchte hier etwa ein Vorkaufsrecht der Kommunen beim Verkauf bundeseigener Immobilien sowie eine Verschärfung bei den Regeln, welche Kosten Vermieter bei der Renovierung von Wohnungen auf die Miete umlegen können. Die Union lehnt eine Verschärfung der Mietpreisbremse bisher ab und fordert ihrerseits ein Baukindergeld, um Familien die Bildung von Wohnungseigentum zu erleichtern.

Beim Arbeitsrecht geht es etwa um die Frage, wie sachgrundlose Befristungen eingeschränkt werden können. „Ich glaube, dass Frau Merkel nicht erklären kann, wieso es dort keine Bewegung geben sollte“, sagte SPD-Vize Schwesig. Aus der Union war als Kompromiss angeboten worden, dass man zumindest die Kettenverträge bei Befristungen untersagen könne. Ansonsten will man Unternehmern aber nicht das Recht auf befristete Arbeitsverträge nehmen.

Im Bereich Gesundheit hatte die SPD die Einführung einer Bürgerversicherung gefordert, was die Union bereits in den Sondierungen kategorisch abgelehnt hatte. In den Verhandlungen geht es nun darum, wie die Position gesetzlich Versicherter dennoch verbessert werden kann - etwa durch andere Abrechnungsregeln bei Ärzten, die bisher mehr an Privatpatienten verdienen und diese oft bevorzugen. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach wirbt daher für eine Angleichung der Ärztehonorare. Für die erwarteten Kosten von fünf Milliarden Euro kämen auch Steuergelder infrage, sagte er im Deutschlandfunk.

In den bisherigen Verhandlungen hatten CDU, CSU und SPD Einigungen in Teilbereichen erzielt. Dazu gehören die Themen Rente, Familie, Innen/Recht, Migration, Digitales und Wirtschaft. Am Samstag gab es allerdings weiter einen Interpretationsstreit, was die Einigung beim Flüchtlingszuzug genau bedeutet. „Wir haben keine Obergrenze beschlossen“, sagte Schwesig am Samstag. CSU-Generalsekretär Scheuer lächelte bei der Frage, wie zufrieden er sei, und fügte hinzu: "Sie sehen die Stellung meiner Mundwinkel." Die CSU hatte auf einer Obergrenze bestanden. Der SPD-Parteitag hatte den Koalitionsverhandlungen mit der Union unter der Maßgabe gebilligt, dass es Nachbesserungen gegenüber dem Sondierungspapier bei den Themen Migration, Gesundheit und Arbeitsrecht geben müsse.

Sollten sich die drei Parteien auf einen Koalitionsvertrag einigen, müssen die SPD-Mitglieder diesem noch zustimmen. Erst danach könnte eine neue große Koalition gebildet werden.

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