Große Koalition Wer von den Plänen profitiert - und wer verliert

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Arbeitsmarkt, Bildung, Digitalisierung, Breitbandausbau und Verkehrsinfrastruktur

Arbeitsmarkt

Die Koalitionäre in spe setzen ein Entlastungssignal: Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden. Vertretbar wären zwar auch 0,4 Prozentpunkte gewesen, stattdessen soll nun aber der Gegenwert von rund einer Milliarde Euro, der sonst im Etat zusätzlich fehlen würde, für bessere Förderung von Langzeitarbeitslosen eingesetzt werden. Das ist sinnvoll, genauso wie das Vorhaben, stärker in Weiterbildung zu investieren. Die SPD hat  ihre alte Forderung eines Rechtsanspruchs auf Weiterbildung durchgesetzt.

Bildung

Bildung bleibt Ländersache, der Bund stellt aber mehr Geld bereit. Ursprünglich wollte die SPD das sogenannte Kooperationsverbot drastisch lockern. Die Bundesländer sperren sich aber seitjeher, dass Bildungspläne künftig womöglich aus Berlin mitgeschrieben werden. Künftig soll es einen nationalen Bildungsrat geben, um die Bildungsstandards anzugleichen. Genau das sieht auch die Kultusministerkonferenz als ihre Aufgabe an, die Länder dürften darauf pochen, dass der neue Rat nur eine beratende Funktion bekommt.

von Christian Ramthun, Marc Etzold, Max Haerder, Christian Schlesiger, Cordula Tutt

Union und SPD wollen in den nächsten vier Jahren das bestehende Schulsanierungsprogramm fortsetzen, ebenso den Digitalpakt, der bereits im Jahr 2016 mit einem Umfang von fünf Milliarden Euro beschlossen wurde und die deutschen Schulen endlich ins digitale Zeitalter führen soll. Auch die beruflichen Schulen sollen mehr Geld erhalten und stärker in den Fokus rücken. Genau das fordern Bildungsexperten seit vielen Jahren.

Studenten und Auszubildende können sich ebenfalls freuen. Mehr Studierende sollen künftig BAföG erhalten, mehr Berufstätige, die sich fortbilden und weiterqualifizieren, das sogenannte Meister-BAföG. Konkrete Zahlen haben Union und SPD im Sondierungsvertrag noch nicht vereinbart. Davon wird aber ganz wesentlich abhängen, ob die beschlossenen Maßnahmen in der Breite wirken können.

Digitalisierung

Eine der wichtigsten Fragen haben Union und SPD offen gelassen. Soll es künftig ein eigenständiges Digitalisierungsministerium geben? Bislang sind diverse Ministerien zuständig, allen voran das Verkehrs-, Innen- und Wirtschaftsministerium. Allerdings will eine neue große Koalition die Digitalisierung der Verwaltung in den Mittelpunkt rücken. Künftig soll es ein „zentrales, einheitliches digitales Portal für Bürger und Unternehmen“ geben. Das Innenministerium arbeitet seit letztem Jahr bereits daran. Gelingt das Prestigeobjekt, würden künftig lästige Behördengänge kaum noch nötig werden – eine wahre Zeitersparnis für die Bürger.

Breitbandausbau

Die Aussagen über den Breitbandausbau lassen hoffen. Zum einen haben sich Union und SPD entschieden, zu klotzen und nicht zu kleckern. Bis 2025 wollen die Sondierer Deutschland flächendeckend mit Gigabitnetzen überziehen. Den Finanzbedarf für diese Legislaturperiode sehen sie bei zehn bis zwölf Milliarden Euro. Damit liegen sie auf Höhe des von Jamaika ausgehandelten Kompromisses. Für Euphorie bei den Digitalexperten dürfte vor allem ein weiterer Passus sorgen: „Dabei sollen zukünftig nur die Ausbauschritte förderfähig sein, die mit Glasfasertechnologie ausgebaut werden.“ Lange Zeit hatten sich die Parteien, vor allem die CSU gesträubt, den Fokus auf Glasfasertechnologie zu legen. Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte in der abgelaufenen Legislaturperiode den Ausbau der umstrittenen Vectoring-Technologie unterstützt, mit der die Deutsche Telekom ihre alten Kupferkabel aufmotzte. Diese Zeit scheint nun endgültig vorbei zu sein. Deutschland kommt im digitalen Zeitalter an.

Verkehrsinfrastruktur

Wenig Überraschendes enthalten die Passagen zur deutschen Verkehrspolitik. Die Fast-Koalitionäre bekennen sich zum Pariser Klimaziel. Dabei wollen die Sondierer „Fahrverbote vermeiden und die Luftreinhaltung verbessern“. Klar ist: Dem Diesel geben die Volksparteien weiterhin eine Zukunft. Die Politik setze weiterhin auf „effizientere und saubere Verbrennungsmotoren inklusive Nachrüstungen“. Damit dürfte vor allem die Autoindustrie gut leben können. Für eine Bundesregierung unter grüner Beteiligung, möglicherweise sogar einem Grünen Verkehrsminister, wäre dieser Satz wohl kaum vertretbar gewesen. Des Weiteren setzen Union und SPD auf eine „Verstetigung der Mittel im Rahmen des Nationalen Forums Diesel“. Was harmlos klingt, bedeutet ein Geldsegen für die Städte und Kommunen. Die amtierende Bundesregierung stellt den Kommunen in diesem Jahr eine Milliarde Euro für die Digitalisierung der Verkehrsleitsysteme und den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung gestellt. Ein Teil kommt von der Autoindustrie. Das Geld soll also auch weiterhin fließen.

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