Große Koalition Das letzte Wort haben die SPD-Mitglieder

Selbst wenn sich Union und SPD einigen sollten, gibt es für die Große Koalition immer noch ein großes Hindernis: das Mitgliedervotum der SPD.

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GroKo: Das letzte Wort haben die SPD-Mitglieder Quelle: dpa

Berlin/Düsseldorf Martin Schulz verlor keine Zeit. Direkt nachdem sich CDU, CSU und SPD am Montagmittag in der Europapolitik einigten, wandte sich der SPD-Chef an die Basis. Die Partei solle eine Große Koalition als Chance für die Europapolitik begreifen. Über einen Messenger-Infodienst schrieb Schulz an die Parteimitglieder: „Wir haben jetzt eine echte Chance, zusammen gerade auch mit Frankreich, Europa demokratischer, sozialer und handlungsfähiger zu machen.“ Das sei im Interesse der Bürger Deutschlands und aller Europäer. „Ich würde mir sehr wünschen, dass wir diese Chance jetzt auch nutzen.“

Schulz weiß: Mit der Einigung über einen Koalitionsvertrag hätte er nur den ersten von zwei Schritten zu einer Regierungsbeteiligung getan. Das letzte Wort haben die knapp 450.000 SPD-Mitglieder. Nur wenn sie in einem Mitgliederentscheid mehrheitlich Ja zu einem Koalitionsvertrag beider Seiten sagen, kann eine Große Koalition zustande kommen.

Sobald der Koalitionsvertrag steht, will das SPD-Präsidium festlegen, in welchem Zeitraum die Mitglieder über eine erneute Große Koalition abstimmen dürfen. Da das Mitgliedervotum als reine Briefabstimmung durchgeführt wird, bekommt jedes Mitglied per Post seine persönlichen Abstimmungsunterlagen zugeschickt. Um bei der Auszählung der Stimmen berücksichtigt zu werden, müssen die ausgefüllten Unterlagen bis 24 Uhr am Abstimmungsstichtag im Postfach des Parteivorstandes eingegangen sein.

Der ganze Abstimmungsprozess dürfte gut drei Wochen in Anspruch nehmen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter kursierte bereits der 4. März als der Tag, an dem das Ergebnis des Mitgliederbescheids veröffentlicht würde. SPD-Parteisprecherin Elena Pieper erklärte aber postwendend: „Der Termin, an dem das Ergebnis bekanntgegeben wird, wird von den Parteigremien beschlossen, sobald sie das nächste Mal tagen. Bis dahin steht der genaue Tag nicht fest.“

Der Zeitraum der Abstimmung dürfte für Schulz und die weiteren Befürworter arbeitsreich werden. Zusammen mit SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und Generalsekretär Lars Klingbeil wird der Parteivorsitzende durch Deutschland reisen, um für die Zustimmung der Mitglieder zu werben. Gleichzeitig gehen auch die GroKo-Gegner wie der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert auf Tour, wie dieser bereits ankündigte.

Vorab haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich selbst ein Bild vom Koalitionsvertrag zu machen. Dieser wird an die Mitglieder verschickt und auf der Internetseite der SPD sowohl komplett als auch als Kurzfassung einsehbar sein. Zudem sind in den Ortsvereinen, Unterbezirken und Landesverbänden/-bezirken Diskussionsveranstaltungen geplant, zu denen die Genossen eingeladen werden. Gerade vor Ort könnten die Ergebnisse heftig diskutiert und um eine Mehrheit gerungen werden.

Bereits auf dem Parteitag im Januar war verbissen um den Start der Koalitionsverhandlungen mit der Union gestritten worden. Nur 56 Prozent der Delegierten und Vorstandsmitglieder entschieden sich damals dafür, die Verhandlungen aufzunehmen. Dieses Mal könnte das Ergebnis noch knapper ausgehen. Denn Schulz köderte die Zustimmung der Delegierten mit dem Versprechen, in den Verhandlungen mit der Union für Verbesserungen der Sondierungsergebnisse zu kämpfen. Nahles sagte, man werde verhandeln, „bis es quietscht“.

So hatten die Jusos eine Kampagne gestartet und mit dem Slogan „Tritt ein, sag Nein“ GroKo-Gegner dazu aufgefordert, in die SPD einzutreten – mit Erfolg. Eine Umfrage des Handelsblattes unter den SPD-Landesverbänden belegt, dass vom Sonderparteitag der SPD am 21. Januar bis Anfang Februar deutlich mehr Menschen einen Aufnahmeantrag gestellt haben als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Dem SPD-Präsidium sind in diesem Falle die Hände gebunden: Stimmberechtigt sind alle Mitglieder, die bis zum 6. Februar um 18 Uhr in die SPD aufgenommen werden und die die Mitgliedsverwaltung als Mitglied registriert hat. Die Aufnahme ist selbst innerhalb eines Tages möglich, wenn der zuständige Ortsverein rasch entscheidet.

Schlussendlich werden die Stimmen von ehrenamtlichen Helfern in Berlin ausgezählt, unter Aufsicht einer von den Landes- und Bezirksverbänden entsandten sogenannten „Mandatsprüfungs- und Zählkommission“ und unter notarieller Kontrolle. Haben mindestens 20 Prozent der Mitglieder ihre Stimme abgegeben, ist das Ergebnis bindend – und der Koalitionsvertrag angenommen oder abgelehnt.

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