Große Koalition Schwarz-Rote Kompromisse
Mindestlohn, Rente, Energiewende: Die große Koalition hat sich viel vorgenommen. Werden wirklich alle Wahlversprechen eingelöst, hätte dies eine erhebliche Belastung für die deutsche Wirtschaft zur Folge. Die Gift- und Gefahrenliste ist somit lang.

Gesundheits- und Pflegepolitik
Mit Zustimmung der Parteivorsitzenden vereinbarten die Fachpolitiker, dass der von Krankenkassen erhobene Zusatzbeitrag künftig nicht mehr pauschal, sondern einkommensabhängig erhoben wird. Der allgemeine Beitragssatz soll bei 14,6 Prozent fixiert werden. Heute liegt der Beitragssatz bei 15,5 Prozent. Der Arbeitgeberbeitrag wird bei 7,3 Prozent eingefroren. Der Pflegebeitragssatz soll spätestens zum 1. Januar 2015 um 0,3 und später um weitere 0,2 Prozentpunkte erhöht werden.
Gefahr: Ein Sozialausgleich aus Steuermitteln ist anders als bei den pauschalen Zusatzbeiträgen nicht mehr vorgesehen. Klamme Krankenkassen könnten mit den Beiträgen nicht auskommen.
Folgen: Kassenmitgliedern könnten zusätzliche Lasten aufgebürdet werden. Einzelne Kassen in Finanzsorgen könnten von ihren Mitgliedern einen prozentualen Zusatzbeitrag verlangen.
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Mindestlohn
Die letzten weißen Flecken auf der deutschen Tariflandkarte sollen verschwinden. Für die SPD ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde nicht verhandelbar. Unions-Politiker hegen bereits Sympathie für das Konzept.
Gefahr: Die SPD setzt sich mit der Basis im Rücken voll durch: 8,50 Euro bundesweit – ohne Ausnahme für den Osten.
Folgen: Bundesweiter Mindestlohn wirkt wie Gift. Bei schlagartiger Einführung von 8,50 Euro dürften viele Hunderttausend Jobs verloren gehen.
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Zeitarbeit
Leiharbeiter sollen nach einer Übergangsfrist im Betrieb den gleichen Lohn erhalten wie Stammkräfte.
Gefahr: Der gültige Tarifvertrag der Branche wird somit ausradiert. Die Vorteile der Zeitarbeit werden sukzessive eliminiert.
Folgen: Ein erfolgreiches Flexibilisierungsinstrument wird beschnitten. Das kostet Jobs und erschwert die Wiedereingliederung Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt.
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Mütterrente
Eltern, die vor 1992 geborene Kinder haben, erhalten künftig einen Rentenpunkt mehr gutgeschrieben. Das bringt im Westen rund 28 Euro monatlich mehr Rente pro Kind, im Osten 25 Euro.
Gefahr: Herzensanliegen der Union, die SPD wird mitgehen. Belastet Rentensystem um 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Bezahlt wird diese Zusatzleistung wahrscheinlich aus Rücklagen der Rentenkasse – vorerst.
Folgen: Als Erstes würde die eigentlich fällige Beitragssenkung Anfang 2014 ausfallen, die nächste Erhöhung käme dafür früher als nötig. Der Beitragssatz könnte um einen halben Prozentpunkt steigen.
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Mindestrente:
Langjährig Versicherte, die sonst nur eine Grundsicherung im Alter beziehen würden, erhalten künftig eine garantierte Rente in Höhe von 850 Euro pro Monat.
Gefahr: Die Kosten von mehreren Milliarden Euro (je nach Ausgestaltung) werden nicht mit zusätzlichen Steuermitteln, sondern systemwidrig aus der Rentenkasse finanziert.
Folgen: Siehe Mindestrente, aber die Folgen könnten noch explosiver sein. Ein beherzter Griff der Koalition in die Rentenkasse, um dafür den Haushalt zu schonen.
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Betreuungsgeld
Für die Betreuung ihrer ein- bis dreijährigen Kleinkinder erhalten Eltern derzeit 100 Euro pro Monat, ab August 2014 sogar 150 Euro.
Gefahr: Konzept wird in der bisherigen Form fortgesetzt. SPD lehnt es eigentlich ab, gibt aber wohl klein bei.
Folgen: Hält bildungsferne Mütter davon ab, Jobs anzunehmen. Führt zu Mitnahmeeffekten bei Eltern, die Geld nicht nötig haben. Kostet zwei Milliarden Euro pro Jahr.
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Energiewende
Ausstieg aus der Kernkraft bis 2022. Anteil Erneuerbarer bis 2030 bei 50 Prozent. Union und SPD planen Subventionen für das Vorhalten von Reserven, weniger Ausnahmen von der Umlage für Industrie, wohl höhere Klimaziele.
Gefahr: Es kommen stetig neue Anlagen für Strom aus Sonne, Wind und Biomasse hinzu. Die Umlage, die Private und Unternehmen für den Umbau der Versorgung zahlen, steigt. Überproduktion von Strom.
Folgen: Energiewende erzeugt Spannung zwischen Politik und Wirtschaft. Wettbewerbsfähigkeit gerät wegen hoher Strompreise und unsicherer Rahmenbedingungen in Gefahr.
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Pflege
Bessere Versorgung Hilfsbedürftiger soll Teilnahme am Leben mit anderen ermöglichen. Bringt 1,3 Millionen Demenzkranke erstmals in größerem Stil in den Genuss der Sozialversicherung.
Gefahr: Kostet zwischen vier und zehn Milliarden Euro extra im Jahr. Kürzungen an anderer Stelle etwa bei geringer Hilfebedürftigen ist unwahrscheinlich.
Folgen: Ausweitung der Pflegeleistungen auf Demenzkranke erzeugt Überdruck im System. Eine Milliarde Euro zusätzlich im Jahr würde einen um etwa 0,1 Punkte höheren Beitrag zur Pflegeversicherung bedeuten. Der Satz von 2,05 Prozent des Bruttolohnes wird zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgebracht.
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LKW-Maut
Für Sanierung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sollen Verursacher einen Teil selbst bezahlen.
Gefahr: Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen und möglicherweise auch auf nachrangige Straßen.
Folgen: Einige Transporteure drohen abzustürzen. Deutsche Spediteure nutzen Bundesstraßen deutlich stärker als ausländische Transporteure. Branche warnt vor Firmenpleiten, da Lkw-Maut nur verzögert an Kunden weitergegeben werden kann.
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Mietpreisbremse
Union und SPD wollen Mieterhöhung bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen auf zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränken
Gefahr: Mietpreisbremse gefährdet die Rendite von Neubauwohnungen, wenn Erstmieter zu schnell wieder auszieht.
Folgen: Maßnahme beengt den Handlungsspielraum der Immobilienunternehmen. Könnte Modernisierungsmaßnahmen bei Altbauten und Neubau ausbremsen.
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Werkverträge
Mit frühkapitalistischen Zuständen in Schlachthöfen oder Schiffswerften durch Missbrauch von Werkverträgen soll Schluss sein. Betriebsräte sollen zumindest besser informiert werden, eventuell sogar mitbestimmen.
Gefahr: Den Missbrauch kann bislang niemand beziffern. Die oft dahinter stehende kriminelle Energie lässt sich durch Rechtsverschärfung nur schwer bekämpfen.
Folgen: Überregulierung droht die unternehmerische Freiheit zu zerquetschen. Werkverträge sind elementarer Bestandteil des Wirtschaftslebens. Wenn Schwarz-Rot zu weit geht, drohen Chaos und Rechtsunsicherheit in den Unternehmen.
Bild: dpa/dpaweb
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