Natürlich, offiziell ist über Ministersessel und dazugehörige Namen zwischen Union und SPD noch überhaupt nicht geredet worden. SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ heute extra noch einmal sein Dementi verbreiten: „Auch wenn einige Zeitungen immer wieder etwas anderes schreiben: Weder bei den Sondierungen noch in den internen Gesprächen auf SPD-Seite ist bislang über Kabinettsposten auch nur gesprochen worden. Es geht um die Inhalte, um nichts anderes.“
Gabriel bleibt nichts anderes übrig, als gegenüber der Parteibasis mit allen Mitteln den Eindruck zu vermeiden, die Führungsspitze der Partei verteile schon mal Ministerien und Dienstlimousinen. Noch sind weder die mittlere Funktionärsebene noch die Basis von einer Neuauflage der großen Koalition überzeugt. Am Sonntag muss der Parteikonvent die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen überhaupt erst billigen. Die Basis müsste das Ergebnis dann am Ende verbindlich absegnen. Das letzte, was Gabriel in dieser Situation gebrauchen kann, ist, dass die Parteisitzen einfach nur gierig auf die Macht wirken.
Aber selbstverständlich: Gedankenspiele und Personaloptionen werden intern munter hin und her gewogen, schließlich kann man nicht unvorbereitet in die Gespräche mit der CDU/CSU gehen. Als sicher gilt, dass die SPD am Ende sechs Posten für sich reklamieren kann, eventuell sogar sieben. Fast genauso wahrscheinlich ist, dass die SPD sehr genau auf die Quote achten wird. Das hieße: drei Ministerien gingen wohl an Frauen. Wichtige Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen müssten unbedingt berücksichtigt werden. Kabinettsbildung ist ein mehrdimensionales Puzzle.
Das Kernstück in diesem Spiel ist das Finanzministerium. Die Lehre aus dem Schicksal der FDP lautet: Ohne dieses Schlüsselressort kann einen der Koalitionspartner bei fast allen Vorhaben an der langen Hand verhungern lassen. Außenpolitik wird heute nicht nur vom Kanzleramt dominiert, sondern auch wesentlich vom Finanzministerium. Euro-Rettung, G20 – Wolfgang Schäuble war neben Angela Merkel die zentrale Figur der letzten vier Jahre. Das Außenamt selbst hat an Bedeutung verloren; es birgt weiterhin viel Prestige, aber der Einfluss ist gesunken.
Finanzminister aus der SPD - wer kann es machen?
Die SPD muss also das Finanzministerium anstreben. Aber wer soll, wer kann es machen? Der bislang letzte SPD-Finanzminister, Peer Steinbrück, hat sich aus dem Rennen genommen. Den ersten Zugriff hätte Gabriel selbst. Dem SPD-Chef werden aber eher Ambitionen auf das Arbeitsministerium nachgesagt, wo er sich mit Kernanliegen der Sozialdemokraten wie Mindestlohn, Rente und dem Kampf gegen Werkverträge profilieren könnte. Von dort aus könnte er als Vizekanzler operieren.
Die nächsten Anwärter wären Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann. Ob Steinmeier überhaupt ins Kabinett geht, ist allerdings offen. Als wiedergewählter Fraktionsvorsitzender sitzt er schon an einer der mächtigsten Schaltstellen überhaupt. Die Erfahrung als Außenminister und Kanzleramtsminister spricht für ihn, ein besonderes Faible für Zahlen und Haushalt aber ist nicht bekannt. Oppermann wiederum gilt als Allzweckwaffe der Genossen, könnte die Felder Innen oder Justiz ideal abdecken. Als kluger Generalist trauen ihm aber auch viele die Schäuble-Nachfolge zu.
Es gäbe aber auch noch einem spannenden Kandidaten von auswärts, international bestens vernetzt, mit langjähriger Exekutiverfahrung unter Steinbrück und Schäuble: Jörg Asmussen, heute Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank. Sein Interesse lässt er schon streuen. Sehr genau wurde in der SPD Asmussens Auftritt beim Berliner Gartenfest des Seeheimer Kreises direkt nach der Bundestagswahl registriert. Da brachte sich jemand in Erinnerung. Seine Kompetenz für globale Finanzfragen steht außer Frage, aber in Partei und Fraktion ist Asmussen nicht sonderlich verdrahtet. Ein schillernder Außenseiter-Kandidat.
Im noch weiteren Kandidatenumfeld wird der Name von Torsten Albig genannt, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und ehemals enger Mitarbeiter Steinbrücks im BMF. Albig allerdings ist erst seit anderthalb Jahren Ministerpräsident. Denkbar ansonsten: Der Düsseldorfer Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans, der immerhin den mächtigen Landesverband NRW im Rücken hat. Oder aber die SPD greift auf ein Parteimitglied zurück, dass schon längst im Führungszirkel des Finanzministeriums sitzt: Staatsekretär Werner Gatzer. Der allerdings gilt vor allem als versierter Maschinist und niemand für die internationale Bühne.
Am wahrscheinlichsten ist also, dass unter den drei Großkopferten Gabriel, Steinmeier und Oppermann die Wahl fallen würde.