Grüne Die Partei, die allen alles verspricht

Der Erfolgspartei fliegt auch die Sympathie vieler Unternehmer zu. Doch ihre Wirtschaftspolitik ist widersprüchlich.

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Grünen-Fraktionsvize Fritz Quelle: dpa

Zwei Seelen spürt Michael Danzl in seiner Brust. Der Geschäftsführer Deutschland der Pharmafirma Actelion arbeitet in Freiburg, das seit 2002 einen grünen Oberbürgermeister hat. Dort lassen Solarfirmen, Energieberater und Biohersteller die Wirtschaft brummen. Ganze Siedlungen sind autofrei. Danzl lobt die Alternativen, die hier mehrheitsfähig sind: "Viele Grüne setzen sich für Wettbewerb ein, hören auch zu." Das sei gut für seine Firma, die sich auf Nischen-Medikamente gegen seltene Leiden spezialisiert hat und sich gegen große Konzerne behauptet. Anderes stört den Medizinmann: "Was nicht natürlich scheint, sehen sie sehr kritisch." Doch Forschung müsse innovativ bleiben, dürfe bei der Gentechnik nicht zurückfallen.

Wie Danzl klingen zurzeit viele Unternehmer – sie zeigen sich angetan und spüren doch, dass ihnen die Grünen auch Nachteile bescheren könnten. Nachhaltiges Wirtschaften und Umwelttechnologie sind in, kein Vorstandschef würde gegen das Wohlfühl-Ziel sprechen.

"Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben"

Die Sonnenblumentruppe pflegt in der Opposition ihre Widersprüche. Grüne sind vage links und halten sich zur Union hin offen. Sie sagen Ja zu Hartz IV und zur Rente mit 67, wollen aber auch mehr Sozialstaat – und ein Grundeinkommen. Sie geben sich innovativ, schaffen jedoch enge Grenzen, welchen Lebensstil und welche Produkte sie fördern. Sie zeigen sich liberal und bürden der Allgemeinheit doch hohe Subventionen auf.

Die Ur-Protestpartei fährt tolle Umfrageergebnisse ein und zieht Bürgerliche an. 47 Prozent der Mittelständler im Ländle würden noch CDU wählen, so das Karlsruher Cobus-Institut. Fast 24 Prozent neigen den Grünen zu, gut zwölf den Liberalen und nur gut elf der SPD. Grüne Ideen müssen sich 2011 womöglich in Baden-Württemberg beweisen. Dort – und im Land Berlin – könnten die Ökos sogar Regierungschefs stellen.

Was böten die Grünen der Wirtschaft überhaupt? "Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben", spult Ober-Realo und Vordenker Fritz Kuhn als Lieblingssatz herunter. Das bringt stets Beifall. In solche ergrünten Bilanzen fließen aber oft Subventionen mit ein.

Beispiel Gebäudesanierung: Hier verlangt die Umweltschutzpartei jährlich zwei Milliarden Euro aus dem Bundesetat, um Häuser zu dämmen. Finanzexperte Alexander Bonde kalkuliert: "Jeder Euro Förderung setzt acht Euro Investitionen in Gang." Doch rechnet sich ein Umbau für Hausbesitzer oft eher schlecht, wenn Mieter – wie von den Grünen erwünscht – den Energiesparmantel zwar verlangen, die Kosten aber nur begrenzt umgelegt werden dürfen.

Kuhn steuert doppelt

Grafik: Wie grüne Haushälter mehr Steuern einnehmen, Subventionen abbauen und Ausgaben umlenken wollen

Fritz Kuhn, Fraktionsvize im Bundestag und potenzieller Minister, will stets doppelt steuern, durch Regeln und Geldanreize. Beispiel Elektromobilität: Grenzwerte fürs Klimagas CO2 sollen runter, mehr Tempolimits her. Nur sparsamste Dienstwagen sollen steuerlich belohnt werden – was schwere Karossen von BMW, Porsche oder Mercedes von den Straßen verbannen würde.

Kuhn winkt mit Forschungsgeld für neue Antriebe und einer Umweltprämie beim Kauf eines E-Autos. "Die Chinesen fördern das mit bis zu 7000 Dollar“, berichtet er und ist sicher: "Das kommt bei uns auch, wenn genug deutsche Hersteller Modelle haben."

Dafür wollen die Grünen Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer streichen und den Spitzensatz der Einkommensteuer wieder auf 45 Prozent steigern – auch für Personengesellschaften. Das Ehegattensplitting soll abschmelzen. Eine Vermögensabgabe für Reiche soll helfen, die Kosten der Finanzkrise zu bewältigen.

Zwar entdeckt mancher Unternehmer sein grünes Herz, wenn Fördergeld lockt. Doch Rudolf Louis Schweizer vom Autozulieferer Schweizer Group bei Göppingen erlebt die Kehrseite: "Bei uns haut die Förderung erneuerbarer Energie wie ein Hammer rein." Er muss für Solar- und Windkraft zahlen – ein Gesetz von Rot-Grün. Weil er für die Produktion von Alu-Gussteilen viel Energie verbraucht, habe er 2009 rund 300.000 Euro EEG-Umlage gezahlt. 2011 werden es über eine Million Euro werden – bei aktuell 73 Millionen Euro Umsatz und zwei bis drei Millionen Euro Ergebnis, rechnete er dem Grünen-Spitzenkandidaten im Ländle, Winfried Kretschmann, vor. Der staunte nicht schlecht und versprach, einen Energieberater vorbeizuschicken.

Grünen-Politikerin Kerstin Andreae, Sprecherin Wirtschaft Quelle: dpa

Wie andere zeigt sich der Unternehmer Schweizer dennoch beeindruckt vom ruhigen Riesen Kretschmann: "Er meint es ernst und geht pragmatisch an Dinge heran." Unter Grün-Anhängern sind überdurchschnittlich viele Selbstständige. Sie sind die Partei der Besser-Verdiener und besser Gebildeten und buhlen um ähnliche Wähler wie die FDP.

Doch so offen Mittelständler der Partei begegnen, so bedeckt halten sich Konzerne. Siemens-Chef Peter Löscher etwa, den Grüne als innovativ loben, will sich politisch nicht äußern.

Die Sprecherin der Partei für Wirtschaft, Kerstin Andreae, tingelt öfter durchs Land: "Wenn ich dann rede, nicken immer alle, egal, ob sie von BASF oder Siemens kommen." Anderen wie der Deutschen Bank kann nicht gefallen, dass die Partei sie wegen ihrer Dominanz im Zweifelsfall zerschlagen will.

Fünf Euro je Liter Benzin fordert kein Grüner mehr öffentlich. Mitunter verhält sich einer wie Parteichef Cem Özdemir sogar wenig korrekt – wenn er per Hubschrauber vom Stuttgarter Flughafen in die City fliegt – obwohl er bei Stuttgart 21 als Fan des Bahnfahrens auftrat.

Unpopuläre Themen auf dem Vormarsch

"Manche Unternehmer mögen es als Bevormundung empfinden, dass wir enge Leitplanken setzen", verteidigt Andreae die Philosophie. "Der Markt ist blind, wenn es darum geht, die Kosten der Umwelt einzupreisen."

Ex-Umweltminister Jürgen Trittin trägt das Ergebnis solcher Politik im Künstlernamen. Als DJ Dosenpfand legt der Fraktionschef in Clubs auf.

Manche in der Partei trauen sich auch an Themen, die bei Gefolgsleuten unpopulär sind. Gerade Grünen ist schwer vermittelbar, dass die aktuelle Energiewende hin zu erneuerbaren Energien landauf, landab nach Stromtrassen verlangt. Bärbel Höhn, Fraktionsvize im Bundestag, will den Anhängern Ähnliches in der Energiepolitik zumuten wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder per Agenda 2010 der SPD.

"Gerade für die Erneuerbaren müssen wir das Netz ausbauen", sagt Höhn. Das bedeutet neue Masten und teure Erdtrassen, Pumpspeicherkraftwerke im Feriengebiet und Umspannwerke am Dorf.

Keine Rolle rückwärts

Höhn gibt sich offensiv: "Wir Grünen haben gelernt, mit beiden Seiten zu reden – mit Bürgerinitiativen und mit den Stromerzeugern." Man müsse womöglich die teure Variante wählen, "sonst endet das schnell in einer Blockade". Die halbstaatliche Deutsche Energieagentur (Dena) hat errechnet, dass für die Stromautobahn über der Erde sechs Milliarden Euro fällig sind, für Kabel unter der Erde bis zu neunmal mehr.

Solche Konflikte interessieren auch Lobbyvertreter, die die Schmuddelkinder von einst reihenweise auf ihre Podien einladen. Sie treibt echte Neugier wie milder Opportunismus, mit den Aufsteigern in Kontakt zu kommen.

Geschäftsführer Albrecht von der Hagen vom Verband der Familienunternehmern lobt: "Man muss ihnen anrechnen, dass sie weiter zur Agenda 2010 stehen und keine Rolle rückwärts gemacht haben." Sogar eine grüne Bundeswirtschaftsministerin kann er sich vorstellen. Die herze womöglich keine Weinkönigin, küsse aber vermutlich lieber den Unternehmer des Jahres, sagte er kürzlich augenzwinkernd.

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