Grüne Niederlage für Cem Özdemir – Göring-Eckardt und Hofreiter bleiben Fraktionschefs

Die Grünen entscheiden sich für Beständigkeit und wählen erneut Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter an der Spitze der Fraktion.

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Bloß keine Experimente, mag sich die Mehrheit der Grünen-Bundestagsfraktion gedacht haben. Statt die Herausforderer Cem Özdemir und Kirsten Kappert-Gonther an die Spitze der Grünen-Bundestagsfraktion zu wählen, haben sich die 67 Abgeordneten mehrheitlich für ihre langjährige Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter entschieden.

Auf Göring-Eckardt, die als erstes gegen Kappert-Gonther antreten musste, entfielen 41 Stimmen (61,19 Prozent) im ersten Wahlgang. Hofreiter, der gegen Özdemir antrat, bekam 39 Stimmen (58,21 Prozent). Kein überragendes Ergebnis, aber ausreichend für eine Entscheidung im ersten Wahlgang.

Bei den Grünen besteht sowohl die Partei- als auch die Fraktionsspitze aus einer Doppelspitze, die mit mindestens einer Frau besetzt sein muss. Zudem legt die Fraktion Wert darauf, dass beide Flügel vertreten sein müssen. Die aus Bremen stammende Gesundheitspolitikerin Kappert-Gonther gehört dem linken Flügel an, Özdemir ist Realo. Die beiden hatten erst vor gut zwei Wochen ihre Kandidatur angekündigt.

Göring-Eckardt und Hofreiter führen die Fraktion seit 2013. Bei der letzten Wahl Anfang 2018 hatten sie jedoch nur rund zwei Drittel der Stimmen bekommen – und das ohne Gegenkandidaten. Die Wahl an diesem Dienstag hatte bis zuletzt als offen gegolten.

Wenn auch die Zufriedenheit mit der Reala Göring-Eckardt und dem links stehenden Grünen-Politiker Hofreiter nicht hundertprozentig gegeben ist, führen die beiden die Fraktion dennoch weitestgehend ohne große Differenzen und Streitereien. Zudem unternahmen sie keinerlei Versuche, der im Vordergrund stehenden Parteispitze – also Annalena Baerbock und Robert Habeck – die Show zu stehlen.

Özdemirs Drang zurück

Die Arbeitsteilung zwischen den Vieren funktioniert. Baerbock und Habeck standen verstärkt in der Öffentlichkeit, Göring-Eckardt und Hofreiter sorgten für den inhaltlichen Unterbau. „Die Fraktion ist programmatisch gut aufgestellt“, erkannte auch die Bremer Gesundheitsexpertin Kappert-Gonther an, die erst seit 2017 im Bundestag sitzt, zuvor aber 25 Jahre lang als Psychiaterin und Psychotherapeutin gearbeitet hatte und auch in Kommunal- und Landesparlamenten aktiv gewesen war. „Das inhaltliche Konzept steht.“

Sowohl sie als auch Özdemir wollten indes für mehr Schwung sorgen: Die Partei profitiere davon, wenn sich die Fraktion stärker in die Debatten einmischen würde, hatten sie erklärt.

Zudem drängte es Özdemir in die erste Reihe zurück. Der 53-Jährige ist einer der profiliertesten Grünen und einer der besten Redner im Bundestag. Bereits 1994 zog der Schwabe mit türkischen Wurzeln in den Bundestag ein, saß später im EU-Parlament und kehrte 2013 in den Bundestag zurück. Zehn Jahre lang, bis Anfang 2018, war er zudem Parteichef der Grünen.

Vor der Bundestagswahl 2017 hatte er jedoch angekündigt, nicht noch einmal für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Als die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition geplatzt waren und damit auch Özdemirs Traum von einem Ministerposten, musste er sich mit der zweiten Reihe zufrieden geben. Als Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestags fühlt sich Özdemir offenkundig aber nicht ausgelastet. Es galt als sicher, dass Özdemir der Fraktion neuen Schwung verleihen könnte.

Allerdings wird er längst nicht von allen als Teamplayer gesehen. Er verfolge zu oft seine eigene Agenda, heißt es. Die Befürchtung war groß, dass mit dem Oberrealo und der weit links stehenden Kappert-Gonther die alten Flügelkämpfe wieder aufleben und die grüne Harmonie erschüttern könnten.

Für die Grünen wäre das ein Fiasko. Seit Monaten stehen sie in Meinungsumfragen stabil über 20 Prozent da. Allerdings könnte die Landtagswahl in Thüringen für die Grünen enttäuschend ausfallen. Hier liegen sie in Umfragen bei gerade einmal acht Prozent.

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