
WirtschaftsWoche: Herr Özdemir, auf Twitter zeigen Sie einen aktuellen WiWo-Titel, der Ludwig Erhard mit Joint abbildet und zur Freigabe von Cannabis aufruft. Ist das die Freiheit, wie Grüne sie meinen?
Özdemir: Rational spricht alles dafür, Cannabis für Erwachsene vernünftig zu regulieren. Das Verbot bindet nur Polizisten und Staatsanwälte, die wir dringend für anderes brauchen.
Und wenn Sie bei Ihren Kindern Hasch finden?
Dann reagiere ich wie jeder Vater und denke: Müssen die mir alles nachmachen, was ich in dem Alter getan habe? Wenn sie noch unter 18 sind, sage ich, Finger weg! Das gilt aber genauso für Alkohol und Zigaretten.
Wir kennen die Grünen eher als Verbotspartei.
Wir wollen nicht vorschreiben, wie jemand leben soll. Warum wirft niemand Union oder SPD vor, Verbotsparteien zu sein? Die schreiben vor, dass jemand seinen Abend nicht bei einem Joint verbringen darf.
Der Oberrealo
Özdemir, 49, will Grüne (Ideen) und Schwarze (Zahlen) annähern.
Diese Parteien wollten keinen Veggie Day.
Darum ging es nie. Richtig ist: Wir wollen Landwirtschaft und Lebensmittel gesünder machen. Unsere Aufgabe ist sicher nicht, den Leuten Kochrezepte vorzuschreiben.
Jetzt klingen Sie wie ein Liberaler. Wollen Sie tatsächlich um frühere FDP-Wähler werben?
Wer ein echter Öko ist, wird sich immer mal mit der Wirtschaft kloppen. Doch wir haben uns längst angenähert.
Was macht Sie da so sicher?
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie hat mir gesagt, er sei uns Umweltschützern für die Nerverei dankbar. So werde Deutschland innovativer. Als die Glühbirne abgeschafft wurde, jammerten alle. Das Licht ist auch dank deutscher LED-Lampen nicht ausgegangen.
Doch beim anstehenden Wirtschaftskongress Ihrer Partei fehlen noch größere Firmen.
Wir werden dort mit größeren und kleineren Unternehmen über Digitalisierung, fairen Wettbewerb, ökologische und soziale Herausforderungen diskutieren. Manche Konzerne schaffen Vielversprechendes. Nehmen wir BMW: Die sind mit den Elektroautos der i-Reihe ein hohes unternehmerisches Risiko eingegangen. Ich weiß, dass der Konzern Geld dafür mit dicken Autos verdient. BMW zeigt aber ökologische Innovationskraft. Wir werden mit CO2-Grenzwerten für Leitplanken sorgen.





Die Grünen wollen die besten Freunde der Konzernchefs werden?
Sogar Finanzminister Schäuble will nun die kalte Progression angehen, die Lohnzuwächse auffrisst. Fordern Grüne Ähnliches?
Wenn man genau hinschaut, kommt bei Schäubles Vorschlag gar nicht so viel raus. Aber Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sollte der Staat mehr Geld lassen. Spitzenverdiener können ruhig mehr als 42 Prozent zahlen.
Doch höhere Steuern? Kann der Staat nicht einfach mal besser haushalten?
Der Staat muss besser wirtschaften. Es muss aber auch drum gehen, untere und mittlere Einkommen spürbar zu entlasten. Da finde ich, dass sehr hohe Einkommen einen bescheidenen Beitrag leisten können. Steuern sind immer auch eine Gerechtigkeitsfrage. Konzerne wie Ikea, Google oder Apple zahlen so gut wie keine Steuern. Das geht nicht.