Grünen-Politiker Sven Giegold Diskussion um mehr Wählereinfluss – „EU-Regierungschefs verweigern Stärkung der Europawahl“

Mehr Demokratie wagen: Das Europaparlament will bei der Auswahl des mächtigen EU-Kommissionspräsidenten mitmischen. Widerstand ist programmiert.

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Der Grünen-Politiker fordert mehr Wählereinfluss bei der Besetzung von Spitzenposten in Brüssel. Quelle: dpa

Brüssel Nach dem EU-Sondergipfel fordert der Grünen-Politiker Sven Giegold mehr Einfluss der europäischen Wähler bei der Besetzung von Spitzenposten in Brüssel. „Die Regierungschefs verweigern die Stärkung der Europawahl“, kritisierte der Europaabgeordnete am Samstag in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Auch alle Reformideen für die Brüsseler Institutionen würden blockiert. Der CSU-Politiker Manfred Weber interpretierte die Ergebnisse des Gipfels indes anders und sieht die europäische Demokratie gestärkt.

Hintergrund ist ein Streit darüber, wie der nächste EU-Kommissionspräsident ausgewählt wird. Das EU-Parlament hat sich darauf festgelegt, nur einen der Spitzenkandidaten der Parteien zum mächtigen Chef der Brüsseler Behörde zu wählen. Argument dafür ist, dass die Person sich dem Wahlkampf und der Europawahl stellen und die Bürger überzeugen muss.

Das Vorschlagsrecht liegt jedoch bei den EU-Staats- und Regierungschefs, die sich keine neuen Vorgaben machen lassen wollen. Beim Sondergipfel am Freitag bekräftigte Ratspräsident Donald Tusk, die Parteien könnten zwar Spitzenkandidaten aufstellen. Doch es gebe keinen Automatismus, dass nur ein Spitzenkandidat für die Kommissionsspitze in Frage komme.

CSU-Vize Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, zeigte sich dennoch zufrieden. „Es ist gut, dass der Europäische Rat die Aufstellung von Spitzenkandidaten durch die Parteien akzeptiert und als Realität anerkennt“, erklärte er der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist ein Erfolg für die europäische Demokratie und das Parlament.“

Nach der Europawahl werde es einen Dialog zwischen den Institutionen geben. „Das letzte Wort werden aber die Abgeordneten behalten, weil dort der Kommissionspräsident letztlich gewählt wird“, betonte er. Der Spitzenkandidaten-Prozess stehe für mehr Demokratie. „Europa darf kein Elitenprojekt sein, sondern muss wieder mehr zum Projekt der Menschen werden“, sagte Weber.

Giegold monierte, Weber rede sich das Ergebnis des Gipfels schön. Tatsächlich fehle das Signal an die Wähler, dass ihre Stimme auch für die Besetzung des Spitzenpostens zähle. Die Beteiligung an der Europawahl, die 2014 bei knapp 43 Prozent lag, drohe weiter zu sinken. „Wir müssen doch wenigstens versuchen, dagegen anzugehen.“

Bei dem Gipfel hatten weitergehende Reformvorschläge ebenfalls keinen Rückhalt gefunden. Dazu zählen die Verkleinerung der EU-Kommission mit derzeit 28 Kommissaren und die Verschmelzung der Ämter von Rats- und Kommissionspräsident zu einem EU-Präsidenten. Dominiert wurde das Treffen der Staats- und Regierungschefs vom Streit über die Finanzen und die Schwerpunkte der EU nach dem Brexit. Beschlüsse gab es dazu aber noch nicht.

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