Grundrente beschlossen Lass den Hund bloß nie den Fleischvorrat bewachen!

Die Bundesregierung bedient gerade eines der beliebtesten Klischees über Politiker: Lass den Hund bloß nie den Fleischvorrat bewachen! Quelle: imago images

Ab heute ist die Grundrente beschlossene Sache. Ein unwürdiges Gezerre nimmt damit ein Ende. Das Nachdenken über eine bessere Alterssicherungspolitik steht hingegen erst am Anfang.

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Natürlich feiert sich die SPD heute für die Grundrente. Sie hat lange dafür gekämpft, sie hat die Skeptiker und Kritiker in der Union letzten Endes niedergerungen. Mit dem heutigen Bundestagsbeschluss wird sie also kommen.

Nur in der Sache wird leider nichts besser. Die Grundrente - letztlich der Versuch, kleine Altersversorgungsansprüche langjähriger Geringverdiener auf kompliziertem Weg aufzuwerten - steckt zwar voller bester Absichten, strotzt dabei aber nur so vor Problemen. Sie ist damit das ideale Symbol für alles, was in den vergangenen Jahren in der Rentenpolitik von Union und SPD falsch gelaufen ist.

Zur Erinnerung: Für die ineffiziente Klientelbeglückung namens Mütterrente waren Milliarden da. Die Rente ab 63 wiederum entpuppte sich als Antifachkräfteprogramm, das allen sonstigen Qualifizierungsbemühungen Hohn sprach. Den langen Boom am Arbeitsmarkt vor Corona und die darauffolgenden Rekordreserven der Rentenversicherung nutzte die Regierung also leider, um ungerührt eines der beliebtesten Klischees über Politiker zu bedienen: Lass den Hund bloß nie den Fleischvorrat bewachen!

Was danach passierte? Der Rentenbeitragssatz ist heute höher, als er sein müsste. Das Rentenniveau niedriger, als es sein könnte. Ein Performanceproblem der Rentenversicherung, das gern von Schwarz und Rot wortreich attestiert wird, haben sich Schwarz und Rot selbst eingehandelt. Täter, Ankläger und vermeintliche Retter treten in Personalunion auf.

Und nun noch die Grundrente: Extrem bürokratisch, wacklig finanziert, und noch dazu so schräg konstruiert, dass sie wohl sehr viele neue Gerechtigkeitsfragen aufwerfen wird: Wer wird sie bekommen? Wer nicht? Und warum? Sie passt also bestens ins Bild.

Den drängenden Bedarf an grundlegenden Reformen lindert diese „Reform“ kein bisschen: Wie sorgt man verlässlich dafür, dass Kleinverdiener mehr bekommen als Grundsicherung? Dass also der, der gearbeitet hat, selbstverständlich immer mehr bekommt als derjenige, der nicht einbezahlt hat? Wie kann es künftig klappen, dass bei besserer Gesundheit auch länger und flexibler gearbeitet wird? Wie lauten überhaupt die belastbaren Antworten auf die Alterung der Gesellschaft und den Exodus der Babyboomer, der bald, sehr bald beginnen wird?

Darüber sollte die Regierung streiten, wenn sie es rentenpolitisch ernst meinte. Wahrscheinlich wird es im sozialpolitischen Jubeln mal wieder einfach untergehen.

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