Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat zugesichert, dass das Aufkommen der Grundsteuer mit zuletzt 14 Milliarden Euro im Jahr auch nach seiner Reform etwa gleich bleiben soll. Aber es gebe natürlich Verschiebungen, sagte Scholz am Montag bei einem Steuerforum des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin. Das bedeutet: einige zahlen mehr, andere dagegen weniger. Er bat um Verständnis, dass er erst die Bundesländer über die Reformpläne in Kenntnis setzen wolle. Maßgabe sei, dass sich das Aufkommen strukturell von der heutigen Höhe nicht verändere. „Es ist auch gut für die Steuerbürger, die nicht mehr zahlen werden“.
Zu einem Bericht zu seinen Reformplänen, wonach besonders Mietern in gefragten Gegenden Mehrbelastungen drohen könnte, sagte er: „Die Bild-Zeitung ist kein Steuerfachblatt.“ Da sei „viertelweise etwas aufgeschnappt“ worden. Dem „Bild“-Bericht zufolge will Scholz die Grundsteuer künftig für jede Wohnung einzeln berechnen lassen. Grundlage sollen Fläche und Alter und bei Mietwohnungen die Höhe der Miete sein. Da die Grundsteuer über die Nebenkosten umgelegt wird, kann das die Höhe der Mieten verändern.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im April geurteilt, dass die bei der Berechnung bisher zugrunde gelegten Einheitswerte (Wert eines Grundstücks) verfassungswidrig sind. Denn die sind veraltet: In den westdeutschen Bundesländern wurden diese 1964 festgelegt, in den ostdeutschen Bundesländern reichen sie sogar bis 1935 zurück.
Aber nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll über einen zweiten Hebel verhindert werden, dass es gerade in gefragten Gegenden mit hohen Nettokaltmieten zu noch weiter steigenden Mieten kommt: Denn bei der Berechnung der Grundsteuer kommt als zweiter Schritt neben der Bemessungsgrundlage auch immer die Steuermesszahl zum Tragen – diese könnte massiv gesenkt werden.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
Für Wohnungen beträgt die Steuermesszahl zum Beispiel bisher 3,5 von Tausend. Wenn der Einheitswert zum Beispiel bisher 100.000 Euro beträgt, errechnet sich ein Grundsteuermessbetrag von 350 Euro (100.000 geteilt durch 1000 multipliziert mit 3,5). Diese 350 Euro werden mit dem von jeder Gemeinde individuell festgelegten Hebesatz multipliziert – der Hebesatz ist die dritte Komponente bei der Grundsteuerberechnung – daher gibt es regional starke Unterschiede.
In Deutschland gibt es rund 35 Millionen Grundstücke und noch viel mehr Wohnungen - daher warnen Experten vor einem gigantischen bürokratischen Aufwand für Städte und Gemeinden - für eine Steuer mit insgesamt rund 14 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr.
Die Grundsteuer ist eine wichtigsten kommunalen Einnahmequellen - das Bundesverfassungsgericht hatte eine Neuregelung bis Ende 2019 verlangt. Um die Vorschläge mit den Ländern abzustimmen und in Gesetzesform zu gießen, drängt daher die Zeit.
Mehrere Bundesländer, darunter Baden-Württemberg , Schleswig-Holstein und Bremen, machen deshalb Druck bei Scholz. „Durch Verzögerungen dürfen keine Fakten gegen den Willen der Länder geschaffen werden“, sagte Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) am Wochenende. Man habe Sorge, dass das Gesetzgebungsverfahren nicht rechtzeitig vor dieser Frist abgeschlossen sei, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben der Finanzminister der drei Länder an Scholz, das der Deutschen-Presse-Agentur vorliegt. „Es ist daher dringlich, die modellspezifischen Fragen der Verfassungskonformität und der Machbarkeit sehr zeitnah zu untersuchen“, heißt es darin. Zuvor hatte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ darüber berichtet.
„Ob Krankenhäuser, Kinderbetreuung, Altenpflege, Sportplätze, Volkshochschulen oder Radwege – unsere Städte und Gemeinden haben Aufgaben, die für alle wichtig sind“, betonte Sitzmann. „Diese Aufgaben müssen bezahlt werden und dafür brauchen die Kommunen die Grundsteuer.“ Mit rund 14 Milliarden Euro jährlich ist die Steuer eine der größten Einnahmequellen von Städten und Gemeinden.
Baden-Württemberg, Bremen und Schleswig-Holstein sprechen sich zudem für ein werteorientiertes Modell bei der Reform der Grundsteuer aus. Das ifo-Institut hatte im September indes ein Konzept für eine Berechnung nur nach der Wohn- und Grundstücksfläche vorgelegt. Ein wertebasiertes Modell mit höheren Grundsteuerlasten in gefragten Regionen und niedrigeren Kosten in ländlichen Regionen wird zwar oft als gerechteste Lösung angesehen – aber auch als aufwendigste.
Die Grundsteuer wird erhoben, um die Bürger an den Kosten für Straßen, die zu den Häusern führen und anderen Erschließungskosten zu beteiligen. Die Grundsteuer A ist für land- und forstwirtschaftlichen Besitz, wie zum Beispiel Felder, und die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude. Experten sprachen sich zuletzt für eine Berechnung allein nach der Wohn- und Grundstücksfläche aus. Ein entsprechendes Konzept legte das ifo-Institut im September vor. Die Studie wurde im Auftrag der Verbände Haus & Grund und Zentraler Immobilien-Ausschuss erstellt. Eine Berechnung nur nach der Fläche hätte gegenüber individuellen, wertbasierten Modellen erhebliche Vorteile, sagte damals ifo-Präsident Clemens Fuest. „Vor allem eine Steuervereinfachung: Wir würden hohe Bewertungskosten vermeiden.“ Geeignet sei eine Kombination aus Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche - vorgeschlagen wurde eine einmalige Bewertung.
Das wäre beim Scholz-Modell wohl anders. Denn mit steigendem Wert und Mieten könnte auch die Steuerlast Jahr für Jahr sich verändern. Alternativ im Gespräch war auch das Bodenwertmodell – hier wird in erster Linie der Wert eines Grundstücks für die Steuerhöhe zugrunde gelegt. Scholz hatte betont, das Steueraufkommen solle auch nach der Reform in etwa gleich bleiben.