Die Reform der Grundsteuer betrifft Millionen Menschen in Deutschland: Experten sprechen sich nun für eine künftige Berechnung allein nach der Wohn- und Grundstücksfläche aus. Ein entsprechendes Konzept legte das ifo-Institut am Montag in Berlin vor. Die Studie wurde im Auftrag der Verbände Haus & Grund und Zentraler Immobilien-Ausschuss erstellt. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Neuordnung gefordert. Eine Berechnung nach Fläche würde komplizierte Berechnungen nach dem Wert der Immobilie vermeiden, zudem würden sonst Hausbesitzer und Mieter in Großstädten wegen steigender Preise übermäßig belastet, wird in der Studie betont.
Mit rund 14 Milliarden Euro jährlich ist die Steuer eine der größten Einnahmequellen von Städten und Gemeinden. Eine Berechnung nur nach der Fläche hätte gegenüber wertbasierten Modellen erhebliche Vorteile, sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. „Vor allem eine Steuervereinfachung: Wir würden hohe Bewertungskosten vermeiden.“ Geeignet sei eine Kombination aus Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche. „Dafür reicht eine einmalige Bestimmung“, betonte Fuest. In der Diskussion für die Neuregelung sind bisher drei Modelle, wobei Bayern ebenfalls das vom ifo-Institut vorgeschlagene Modell favorisiert.
Denn wirtschaftlich starke Bundesländer mit hohen Immobilienpreisen wie Bayern und Baden-Württemberg müssten sonst nach Angaben von ifo-Präsident Fuest mehr in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) betonte, er unterstütze die Idee einer einfachen und wertunabhängigen Grundsteuer und halte den gemachten Vorschlag „daher für sehr überlegenswert“.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
Eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte, bis Ende des Jahres werde ein Vorschlag mit den Ländern erarbeitet. „Wenn es soweit ist, werden wir es rechtzeitig ankündigen.“ Bis spätestens 2019 hat das Verfassungsgericht eine Reform verlangt.
Eine Berechnung nach Fläche könnte die Bürger in Zeiten steigender Immobilienpreise zudem später vor höheren Steuerlasten bewahren - denn bei anderen Modellen könnte mit steigendem Wert auch die Steuerlast steigen. Alternativ im Gespräch sind das Bodenwertmodell - hier wird in erster Linie der Wert eines Grundstücks für die Steuerhöhe zugrunde gelegt. Im Kostenwertmodell fließen auch Bau- oder Sanierungskosten für die Häuser mit ein. Ein wertebasiertes Modell mit höheren Grundsteuerlasten in gefragten Regionen und niedrigeren Kosten in ländlichen Regionen wird oft als gerechteste Lösung angesehen - aber auch als aufwendigste. Doch die Zeit drängt.
Der Vize-Fraktionschef der FDP im Bundestag, Christian Dürr, forderte mehr Tempo. „Die Bundesregierung muss aus ihrem Tiefschlaf erwachen und darf die Grundsteuerreform nicht aus Angst vor Landtagswahlen verschleppen.“ Priorität müsse es haben, massive Belastungen für Mieter und Eigentümer, gerade in Ballungszentren, zu vermeiden. Dies lasse sich am besten durch ein Flächenmodell mit kommunalem Hebesatz realisieren.