Grundsteuer steigt „Die Grünen zocken die Mieter ab!“

Die Grünen wollen die Grundsteuer „reformieren“. Weil sie den Kommunen mehr Geld zuschieben wollen, kann das nur bedeuten: Höhere Kosten für Mieter und Eigenheimer.

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Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt twitterte es glücklich in die Welt: „Deutscher #Mieterbund: Rot-#Grün ist für #Mieterinnen und #Mieter die beste Koalitionsoption. /GETmieterbund.de/pressemitteilu…“.

Doch das gilt nur: vor Steuern! Denn das Wahlprogramm der Ökopartei enthält eine böse Überraschung: Die Grundsteuer soll steigen. Und das trifft jeden Bürger, egal ob Mieter oder Eigenheimer. Denn wohnen muss jeder. Auf Seite 79 der Grünen-Broschüre heißt es: „Die Reform der Grundsteuer wollen wir zügig vorantreiben.“ Demnach solle „die Grundsteuer nach den aktuellen, pauschalierten Verkehrswerten berechnet werden“. Das wäre eine wesentliche Änderung zur bisherigen Konstruktion der Grundsteuer.

Bisher errechnet sich Abgabe auf jeden Grundbesitz – und damit anteilig auch auf jede einzelne Wohnung – nach dem so genannten Einheitswert. Und der wiederum basiert für die alten Bundesländer auf dem Jahr 1964, für Ostdeutschland gar auf den fortgeschriebenen Daten von 1935. Der Einheitswert wird mit einer Messzahl multipliziert, und darauf gilt dann ein kommunaler Hebesatz, der also von Ort zu Ort verschieden ist. Unstreitig ist: Den heutigen Wert bei einem Verkauf spiegelt der Einheitswert als Bemessungsgrundlage für die Steuerzahlung nicht wieder; er ist viel niedriger.

So stark steigen die Mieten in deutschen Großstädten
Seit dem ersten Mai 201 gilt in Deutschland eine Mini-Preisbremse: In gefragten Wohngegenden können Mieterhöhungen stärker als bisher begrenzt werden. Eine zum 1. Mai in Kraft getretene Änderung des Mietgesetzes räumt den Bundesländern einen entsprechenden Spielraum ein. Demnach kann bei bestehenden Mietverhältnissen die Erhöhung auf maximal 15 Prozent innerhalb von drei Jahren begrenzt werden. Bisher liegt die Erhöhungsgrenze für diesen Zeitraum bei 20 Prozent. Die Deckelung gilt aber nur für bestehende Mietverhältnisse in gefragten Städten oder Stadtvierteln mit akutem Wohnungsmangel. Unter anderem in Berlin oder München soll diese kleine Mietpreisbremse angewendet werden. Der Deutsche Mieterbund kritisiert jedoch, dass bei Neuvermietungen weiterhin keine Grenze eingezogen wird. In Groß- und Unistädten lägen die Neuvermietungspreise 20 bis 30 Prozent über der ortsüblichen Miete, in der Spitze mehr als 40 Prozent. Wie teuer wohnen in 15 deutschen Großstädten ist, zeigen die folgenden Bilder. Quelle: dpa
Platz 15: WürzburgAn der schönen Stadt am Main in Unterfranken ist es gemütlich, aber das hat seinen Preis: Der Mietpreis pro Quadratmeter liegt hier bei 8,00 Euro. Das aktuelle Mietpreis-Ranking von ImmobilienScout24 hat bei 80 Großstädten die Angebotsmieten aus dem 4. Quartal 2012 als Berechnungsgrundlage genommen. Der Analyse liegen rund 200.000 Mietobjekte zugrunde. Quelle: dpa
Platz 14: BonnMan muss nicht zwingend in der Villa Hammerschmidt wohnen, die Mietpreise in Bonn sind auch so nicht die niedrigsten. Der Mietpreis pro m² liegt hier bei 8,14 Euro. Quelle: dpa
Platz 13: KarlsruheBaden-Württemberg ist ohnehin nicht bekannt für Niedrigmieten und so verwundert es auch nicht, dass der Quadratmeterpreis in Karlsruhe laut ImmobilienScout24-Ranking bei 8,33 Euro liegt. Quelle: dpa
Platz 12: ErlangenIn der mittelfränkischen Großstadt kann man zwar günstiger wohnen als in der Landeshauptstadt München, doch der Quadratmeterpreis ist auch hier im Deutschlandvergleich nicht niedrig. 8,41 Euro pro m² sind es derzeit. Quelle: dpa
Platz 11: KölnIn der Karnevalshochburg beträgt der Mietpreis pro m² laut ImmobilienScout24-Ranking derzeit 8,48 Euro. Quelle: dpa
Platz 10: IngolstadtDas Ingolstädter Schloss hinter blühendem Flieder: In der Audi-Stadt kostet der Quadratmeter 8,77 Euro. Quelle: dpa

Hinter der harmlos klingenden Formulierung, die „Reform der Grundsteuer“ zügig voranzutreiben, wittert die Konkurrenz erhebliches Ungemach. „Die Grünen zocken die Mieter ab“, wettert Marco Buschmann, rechtspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. „Das entspricht einer saftigen Steuererhöhung, weil der Verkehrswert weit höher ist als der Einheitswert. Die Grundsteuer legt der Vermieter aber über die Nebenkosten um. Am Ende zahlt die Zeche also der normale Mieter oder jeder, der in den eigenen vier Wänden lebt.“

Was ist ein Mietspiegel?

Buschmann hat auch gleich ein Rechenbeispiel parat. In seiner Heimatstadt Gelsenkirchen würde sich demnach die Grundsteuer für eine 70-Quadratmeter-Wohnung mit einem Verkehrswert von 100 000 Euro glatt verachtfachen. Denn der Einheitswerte liege nur bei 13 000 Euro. Buschmann: „Eigentümer beziehungsweise Mieter der Wohnung müssen also statt 247,98 Euro Grundsteuer künftig 1.907,50 Euro im Jahr bezahlen, wenn es nach den Grünen geht.“

Verzehnfacht sich die Grundsteuer?

Hier frisst die Miete das Gehalt auf
Die Mieten in den deutschen Großstädten werden nach einer Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auch im nächsten Jahr kräftig steigen. Die Wissenschaftler rechnen mit einem Anstieg von durchschnittlich 3,5 Prozent, Kaufpreise legen demnach sogar um 6,5 Prozent zu. „Nach mehreren Jahrzehnten stagnierender Immobilienpreise befindet sich der deutsche Immobilienmarkt seit 2010 in einer Boomphase“, teilte das Institut mit. Ursache sei vor allem Wohnungsknappheit in den Städten, in die immer Menschen zögen. Besonders schlimm ist das in... Quelle: ZB
...Hamburg. In der Hansestadt eine freie Wohnung zu finden, ist eine regelrechte Herkules-Aufgabe: In der Hansestadt gibt es nur 1,5 Prozent Leerstand. Wegen des knappen Angebotes stieg der Preis deshalb binnen fünf Jahren um 26 Prozent. Das hat die Stiftung Warentest ermittelt. Quelle: dpa
Platz 6: Dresden Quelle: dpa
Platz 9: Hannover Quelle: obs
Platz 2: Berlin Quelle: dpa
Platz 8: Bremen Quelle: dapd
Platz 7: Köln Quelle: dpa

Andere haben noch viel drastischere Abweichungen zwischen Einheits- und Verkehrswert ermittelt. „Im Durchschnitt liegen die Verkehrswerte beim Zehnfachen der Einheitswerte“, berichtet Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der ausschließlich Mietwohnungsgesellschaften vertritt. „Die Werte müssten regelmäßig angepasst werden und könnten auch nur mit Zeitverzug ermittelt werden.“ Denn die Preisentwicklung am Markt lässt sich ja erst nach Abschluss der Geschäfte feststellen.

Essers Befürchtung: „Das führt zu unnötigen Streitereien zwischen Mietern und Vermietern.“ Für ihre Mitgliedsfirmen sei dies das aufwendigste Verfahren. Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium stellte gar schon 2010 fest, es lägen „die Wertansätze von 1964 heute im Durchschnitt bei 1/20 des Verkehrswertes“.

So wollen die Deutschen bei den Wohnkosten sparen
Eine Studie der BHW Bausparkasse zeigt: 82 Prozent der Deutschen halten Heiz- und Stromkosten für zu hoch. Ihrer Meinung nach verteuern die Energiekosten das Wohnen in hohem Maße. Deshalb wollen viele zum nächsten Jahr den Energieversorger wechseln. Abhängig vom persönlichen Energiebedarf lassen sich durch einen Wechsel mehrere hundert Euro im Jahr sparen, sagen Verbraucherschützer. Quelle: AP
Eigenheimbesitzer setzen aus den gleichen Gründen auf eine Sanierung ihrer Immobilie: Da wird gedämmt und runderneuert, was der Kreditrahmen hergibt, um die Energiekosten zu reduzieren. Solaranlagen seien besonders gefragt. Quelle: dpa
Viele sehen allerdings keinen anderen Weg mehr, als die Wohnung zu wechseln. Laut der Studie der BHW Bausparkasse überlegt jeder Dritte, in eine günstigere Wohnung zu ziehen. Dabei ist die Kaltmiete häufig nicht das Problem sondern die erwähnten Nebenkosten. Quelle: Fotolia
Um Kosten zu sparen, überlegen viele Mieter, in eine weniger begehrte Wohngegenden zu ziehen. Statistiken des Immobilienportals Immobilienscout24 zeigen eine regelrechte Abwanderung in unattraktivere Stadtteile. So gebe es beispielsweise in Berlin Bewegungen von Kreuzberg über Neukölln nach Wedding. Quelle: dapd
Viele wollen sich auch schlicht verkleinern und auf ein drittes oder viertes Zimmer verzichten. Das spart schließlich auch Energiekosten. Quelle: dpa

Achtfach, zehnfach, zwanzigfach? Im Wahlprogramm der Grünen steht dazu nichts. Nur der Verweis auf ein Modell, das die Partei „diskutiert“ habe. Es handelt sich um den Entwurf der Bremischen Finanzsenatorin, teilen die Grünen auf Nachfrage mit. Dieses Konzept geht zwar davon aus, dass das Aufkommen aus der Grundsteuer insgesamt konstant bleiben solle, der Staat also nicht mehr kassieren wolle. Dazu müssten – bei Verwendung der Verkehrswerte – die Messzahlen drastisch verkleinert werden.

Aber genau diesen Verzicht auf Mehreinnahmen schließt das Grüne Wahlprogramm aus. Schließlich heißt es als Einleitung des Grundsteuer-Passus: „Statt kommunalen Investitionsstaus brauchen wir Geld für eine gute Politik vor Ort.“ Neben ihren Anteilen an der Einkommen- und Mehrwertsteuer „sollen die Kommunen auf ihre eigenen Quellen zählen können“. Zahlen können dann die Bürger.

Da nutzt es all jenen, die nicht in den eigenen vier Wänden wohnen, nichts, wenn sich die Grünen für eine „Mietpreisbremse“ einsetzen, um Mieterhöhungen zu Gunsten des Vermieters zu stoppen, wenn dann der Staat zur Kasse bittet.

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