Das Ergebnis der Studie überrascht nicht. Erstens stammt sie vom liberalen Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, zweitens haben sie zwei Eigentümerverbände in Auftrag gegeben, und drittens ist sie vernünftig. Die Grundsteuer soll künftig nach der Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche bestimmt werden, empfehlen die Wissenschaftler. Alle anderen Optionen mit einer vorherigen Ermittlung der Immobilienwerte oder Ertragswerte seien dagegen extrem schwierig und nur sehr langwierig zu ermitteln, warnen die Ifo-Experten. Damit wäre eine flächenbasierte Besteuerung die einfachste und praktischste Lösung, um die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestufte Ermittlung der Grundsteuer nach den alten Einheitswerten von 1964 (in Ostdeutschland von 1936) zu ersetzen.
Doch was von Wissenschaftlern und Wirtschaftsvertretern als richtig und praktikabel betrachtet wird, ist in unserem Land noch lange nicht politisch erwünscht oder durchsetzbar. Diese Erfahrung muss auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) machen, der bis vor wenigen Monaten noch ein vehementer Verfechter einer Grundsteuer nach Fläche war. Als Hamburger Bürgermeister plädierte er zusammen mit den Bayern dafür, und zwar aus Sorge, dass es bei einer Berechnung nach aktuellen Immobilienwerten zu dramatisch steigenden Grundsteuern in der Hansestadt käme.
Allerdings waren 14 andere Ministerpräsidenten dagegen, die ihrerseits einen wertbasierten Ansatz für unverzichtbar halten. Scholz, oh welche Ironie, hat nun das Problem, als Bundesfinanzminister eine Lösung finden zu müssen, der alle Länder zustimmen. Er kann also die Mehrheitsmeinung nicht einfach ignorieren, er kann auch nicht den Entscheidungsprozess blockieren. Scholz muss eine Lösung finden, die nach den Gesetzen der Politik ein Kompromiss sein wird. Also irgendwie wohl eine Mischung aus Wertermittlung und Pauschalisierung, um die künftige Berechnung der Grundsteuer nicht allzu sehr ausufern zu lassen.
Praktikabler Ansatz gesucht
Aber vielleicht wagt der Bundesfinanzminister ja doch noch einen Anlauf, um für seine alte Position zu werben, die dem Ifo-Vorschlag ähnelt. Da ist zum einen der praktische Aspekt, dass nur ein flächenbezogener Ansatz verwaltungsmäßig einigermaßen zu handhaben ist. Denn die Ermittlung des Verkehrs- oder Ertragswerts jeder einzelnen Immobilie würde die Finanzverwaltung in ganz Deutschland auf Jahre blockieren (und Gutachtern ein Bombengeschäft sichern). Und jeder Eigentümer, der sich zu hoch bewertet fühlt, könnte dagegen klagen und die Finanzgerichte auf Jahre blockieren (und den Gutachtern ein weiteres Bombengeschäft sichern). Auch mit dem Argument der vermeintlichen Gerechtigkeit könnte sich Scholz noch einmal auseinandersetzen.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
Wer teurere Immobilien bewohnt, so sagen viele, soll gefälligst auch mehr Grundsteuer bezahlen. Das heißt aber auch: Wer teuer wohnen muss, weil in München, Hamburg oder Berlin Mieten und Preise rasant steigen, müsste oben drauf noch mehr Grundsteuer zahlen. Für bezahlbares Wohnen sorgt man so nicht. Ohnehin krankt unser politisch-soziales Gerechtigkeitsstreben daran, überall umverteilen zu wollen. Warum belassen wir es nicht einfach dabei, für Umverteilung an der Quelle zu sorgen, nämlich bei der Einkommensgewinnung? Und mit einer Spitzenbesteuerung nahe 50 Prozent (Einkommensteuer + Soli + Reichensteuer) sollte man eigentlich sagen können, dass der Umverteilung hierzulande genüge getan wird. Es würde auch das Problem der notwendigen Reform der Grundsteuer lösen helfen.