
Wer vor der Bundestagswahl noch die Hoffnung hatte, eine große Koalition würde in Deutschland Weniges besser und das Meiste nicht schlechter machen, ist vom gegenwärtigen Stand der Koalitionsverhandlungen bitter enttäuscht. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die fünf Weisen, bringen es in ihrem soeben vorgelegten Gutachten auf den Punkt.





Eine wirtschaftspolitisch weitgehend orientierungslos gewordene CDU, eine im Sog der Linkspartei stehende SPD und eine sich in der Maut verbeißende CSU, betreiben alle gemeinsam eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik. Drei Beispiele machen dies deutlich:
Mindestlohn: Ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro ist ein sozialpolitischer Rückschritt. Mit der Agenda 2010 haben SPD und Grüne für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte ein Mindesteinkommen geschaffen. Davon profitierte jeder, der Arbeiten ging, auch wenn es auch welchen Gründen auch immer nicht ganz zum Lebensunterhalt reichte. Der Systemwechsel war ein sozialpolitischer Erfolg, der die Langzeitarbeitslosigkeit überraschend deutlich sinken ließ und der Problemgruppe der Geringqualifizierten endlich eine Chance gab.
Der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 passt nicht in diese Systematik und dreht diesen Erfolg zurück. Wie schon die Institute in ihrem Herbstgutachten weisen nun auch die Sachverständigen in ihrem Gutachten darauf hin, wer zu den Verlieren dieser vermeintlichen Wohltat gehören werden: Für Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, Jugendliche und disproportional viele Arbeitnehmer in Ostdeutschland wir der „sozialpolitisch motivierte Mindestlohn… voraussichtlich weit mehr Probleme schaffen, als er zu lösen imstande ist“.
Rente: Dass wir uns um die Rentenkasse derzeit kaum Sorgen machen müssten, verdanken wir erstens einer auf Rekordhöhe gestiegenen Beschäftigung, die Beiträge in die Kassen spült, und vor allem der von SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering durchgesetzten Rente mit 67, die die künftige Ausgabendynamik dämpft. Doch machen wir uns nichts vor. Die Ruhe gilt nur bis 2030, und dies auch nur dann, wenn die Reformen der Vergangenheit nicht verwässert werden. Genau das aber hat die große Koalition vor: Mütterrente, Lebensleistungsrente, vor allem aber der vorzeitige Ruhestand für langjährig Versicherte, der die Rente nun schon ab 63 verheißt, verspielen nicht nur den erzielten Erfolg, sondern reißen für die Zukunft neue Finanzierungslücken auf. Die Leidtragenden sind Arbeitnehmer, die schon jetzt auf die im nächsten Jahr mögliche Senkung der Rentenbeiträge verzichten müssen – und die junge Generation, die künftig noch mehr unter der Last einer verfehlten Altersvorsorge leiden muss. Da war Deutschland schon mal weiter.