
Irgendwann einmal sitzen wir alle wieder in Bayreuth zusammen und begreifen gar nicht mehr, wie man es anderswo aushalten konnte. Mit diesem Zitat des Philosophen Friedrich Nietzsche begrüßen sich ehemalige Bayreuther Ökonomie- und Jurastudenten gern, wenn es sie aus den Wirtschaftsmetropolen dieser Welt zurück an ihre alte Uni verschlägt. An diesem Wochenende ist es mal wieder so weit, denn die Universität Bayreuth feiert ihr 40-jähriges Jubiläum. Eingeladen sind neben den Absolventen und Emeriti auch prominente Redner wie EU-Kommissar Günther Oettinger.
Normalerweise wäre die 40-Jahr-Feier einer mit 13.000 Immatrikulierten nur mittelgroßen Uni in der vor allem für ihre Wagner-Festspiele bekannten Kleinstadt kein Ereignis, das neben Studenten, Professoren und Alumni jemanden interessieren würde. Doch im Fall Bayreuth ist das anders, schließlich hat die Plagiatsaffäre um den ehemaligen Bundeswirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor vier Jahren die Universität zum weltweiten Gesprächsthema gemacht.





Der Jurist zu Guttenberg hatte bis 1999 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Bayreuth studiert und acht Jahre später dort promoviert. Im Februar 2011 enthüllte die Süddeutsche Zeitung, dass er seine Doktorarbeit in großen Teilen abgekupfert hatte, ohne die Quellen korrekt anzugeben. Nur eine Woche nachdem der Skandal bekannt geworden war, kassierte die Promotionskommission der Universität den Doktortitel ihres berühmtesten Alumnus. Der steile Aufstieg des CSU-Politikers vom Kreisrat im Bayreuther Nachbarstädtchen Kulmbach zum Bundesminister und Wunsch-Kanzler einflussreicher Medien und vieler Bürger endete mit seinem Rücktritt im März 2011.
Blättert man durch das Programm für die 40-Jahr-Feier der Universität, findet man darin keinen Tagesordnungspunkt, bei dem die Auseinandersetzung mit der Affäre im Vordergrund stehen würde. Das verwundert, schließlich dient ein Jubiläum auch dem Rückblick auf wichtige Ereignisse der Vergangenheit, selbst wenn diese im Tagesgeschäft vielleicht nicht mehr die größte Rolle spielen. Auch unangenehme Themen sollten ihren Platz finden an einem feierlichen Tag. „Niemand verlangt, die gesamte Jubiläumsfeier auf die Guttenberg-Affäre zu fokussieren“, sagt ein Absolvent der rechtswissenschaftlichen Fakultät, der heute bei einem großen Finanzunternehmen in Frankfurt arbeitet. „Doch einen Überblick über die Folgen der Krise aus dem Jahr 2011 hätte ich mir schon gewünscht.“ Ähnlich sehen es auch andere Alumni.
Fragt man dagegen aktuelle Studenten oder wissenschaftliche Mitarbeiter, überwiegt der Wunsch, einen Schlussstrich unter die Causa Guttenberg zu ziehen. „Das Thema spielt im Alltag keine Rolle mehr“, beobachtet ein Doktorand. Tatsächlich haben sich die schlimmsten Ängste von damals nicht bewahrheitet. Viele Absolventen fürchteten, der Plagiatsskandal würde den Marktwert ihrer Diplomurkunde in den Keller treiben und jahrelange Investitionen in die wissenschaftliche und berufliche Ausbildung entwerten. Wer unmittelbar nach dem Frühjahr 2011 mit einem frischen Bayreuther Zeugnis unterm Arm auf Bewerbungstour ging, tat das nicht ohne diese Furcht im Hinterkopf. Die meisten Bayreuth-Alumni aber kamen glimpflich davon, mussten in den Monaten nach der Guttenberg-Affäre allenfalls die Witzeleien ihrer Kollegen ertragen.